Kinkel will Kohl-Machtwort zur deutschen Europapolitik

■ CSU empört über Geißlers Kritik an Stoiber

Bonn (dpa/taz) – Mit einer Woche Verspätung schlägt jetzt die durch Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber provozierte Europa-Debatte in der Koalition hohe Wellen. Außenminister Kinkel, in Brüssel von seinen Amtskollegen auf die bayrischen Vorschläge angesprochen, forderte von Kanzler Kohl eine ultimative Klarstellung. Ein klärendes „Machtwort“ sei jetzt fällig, damit die Deutschen in der EG weiterhin als zuverlässige Partner gelten.

Stoiber hatte vor einer Woche öffentlich gefordert, die Europa-Idee als überholt zu den Akten zu legen, den Nationalstaat nicht anzutasten und die weitere Integration deutlich zu verlangsamen. Als Instrument dazu hatte er die Aufnahme der osteuropäischen Reformstaaten in einen EG-Wirtschaftsverbund gefordert. „Die Europapolitik wird nach wie vor in Bonn gemacht und nicht in München“, versuchte Kinkel seine Kollegen in Brüssel zu beruhigen. „Die Bundesregierung werde weiter den Weg der europäischen Einigung gehen.“ Was Stoiber wolle, werde mit der FDP „jedenfalls nicht laufen“.

Die CSU bemühte sich bei einem Treffen in München unterdessen um innerparteiliche Geschlossenheit in der Europapolitik. Waigel, der sich zuvor vorsichtig von Stoiber distanziert hatte, nahm ihn bei einem „Jour fixe“ gegen die scharfe Kritik des stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Heiner Geißler, in Schutz und nannte dessen Äußerungen „absolut indiskutabel“. Geißler hatte Stoiber „Hochverrat an den deutschen und europäischen Interessen“ vorgeworfen. In einer zweistündigen Europa- Debatte bei der Münchner Zusammenkunft sei Geißlers Kritik „völlig einvernehmlich und mit großer Entrüstung“ zurückgewiesen worden, sagte CSU-Generalsekretär Erwin Huber. Geißlers „Tiefschläge“ schadeten den Unionsparteien und der Demokratie insgesamt und seien zum Teil nicht mehr „nachvollziehbar“. Huber: „Wir nehmen Geißler nicht mehr ernst.“