Rüstungssucht bedroht Rot-Grün

■ Niedersachsen: Schröder für Eurofighter

Hannover (taz) – „Das Klima in der Koaltion ist vergiftet. Die Luft für Rot-Grün wird immer dünner“, meint Andrea Hoops, Spitzenkandidatin der niedersächsischen Grünen. Ihre Worte will sie keineswegs als Eröffnung des Wahlkampfes innerhalb des Regierungslagers verstanden wissen. Zum zweiten mal binnen Jahresfrist habe dieser Tage der Niedersächsische Ministerpräsident „die friedenspolitischen Grundsätze der Koalition mit Füßen getreten“.

Gerhard Schröder will, nachdem seine Parole „U-Boote für Taiwan“ schon fast vergessen war, nun jenes längst zu den Akten gelegte bundesdeutsche Jagdflugzeug zu neuem Leben erwecken, das heute nicht mehr Jäger 90, sondern Eurofighter heißt. Im Widerspruch zu den Beschlüssen der eigenen Partei hatte Schröder verlangt, erneut „vorurteilsfrei über das Kampfflugzeug Eurofighter zu reden“, auch wenn es dadurch zu einer Zerreißprobe innerhalb der SPD komme. Um dieser vorzubeugen, setzte sich der Landesfürst gestern auch auf dem SPD-Parteitag für seine neue Rüstungslinie ein. Zuvor hatte er schon mit Edmund Stoiber und dem Vorstand der Deutschen Aerospace AG (Dasa) über die Zukunft des von der Schließung bedrohten Dasa-Werkes in Lemwerder verhandelt.

Schröders Äußerungen haben den Nerv der Grünen getroffen. Schließlich war der Landeschef Wiederholungstäter, hatte vor knapp einem Jahr mit seinem Einsatz für den U-Boot-Export die einzige wirkliche Krise der Koalition zu Wege gebracht, hatte damals zusammen mit den Grünen erklären müssen, daß Kabinettsdiziplin für alle Mitglieder der Landeregierung – ihn selbst eingeschlossen – gelte. Ganz bewußt kommentierte denn auch der grüne Bundesratsminister Jürgen Trittin den Vorstoß für den Eurofighter mit dem Satz „Schröder hat einen Knall“. Das Koalitionskrisenmanagement, das darauf schon am Sonntag begann, produzierte eine neue gemeinsame Erklärung, in der allerdings „unüberwindbare Differenzen über Notwendigkeit und Ausmaß der Unterstützung militärischer Projekte“ festgeschrieben sind. Von Seiten der Grünen enthielt sie die klare Drohung, daß „eine Weiterführung des Projektes Jäger 90 zum Bruch der Koaliton führen“ werde.

„Der Bruch ist da, wenn Gerhard Schröder einen Vorstoß zum Bau des Eurofighters gibt“, sagt Andrea Hoops. Diesmal hat der Ministerpräsident also durchaus Gelegenheit, es zum Koalitionsbruch kommen zu lassen. Schon heute abend will er persönlich mit dem Bundesverteidigungsminister über die Planungssicherheit im Bereich der Luft-und Raumfahrtindustrie sprechen; dabei geht es auch um den Eurofighter.

Über die Motive von Schröders wiedererwachter Rüstungsleidenschaft rätselt man nicht nur bei den Grünen. Denn auf die einfache Formel Rüstung contra Arbeitsplätze läßt sich der Konflikt diesmal nicht bringen. Das Dasa-Werk in Lemwerder mit seinen gut 1.100 Mitarbeitern, das Niedersachsen in einen selbständigen Betrieb mit Landesbeteiligung umwandeln möchte, ist ein reiner Wartungsbetrieb, hätte also vom Bau neuer Militärmaschinen überhaupt nichts. Andrea Hoops kann sich Schröders Verhalten nur mit dessen Drang nach einer SPD-Führungsposition erklären. „Der Ministerpräsident strebt den vakanten Posten des Vormanns der SPD- Rechten an.“ Jürgen Voges