Sturm und Drang im Dorf

■ „Durst“: Jugendlicher Rebell erobert die Herzen einer Kleinstadt

Weit kommt der 20jährige Gymnasiast Arthur Jäger nicht bei seinem Ausbruchsversuch aus der kleinstädtischen Enge Karlstätts. Nach drei Tagen hat ihn die Polizei aufgegriffen und ihn zurück zu seiner Mutter gebracht. Geändert hat sich nichts, nur einige neue Mitbürger hat Karlstätt bekommen: den in die Provinz versetzten Lehrer samt Frau und Baby, und den Pfarrer samt Frau und der 17jährigen klerikalneurotischen Tochter Sabine.

So beginnt Durst, der erste Spielfilm des 1963 geborenen Nachwuchsregisseurs Martin Weinhart. Arthur Jäger (Jürgen Vogel) schreibt höchst engagierte Aufsätze, gilt als hochintelligent und renitent, und raubt im Sturm und Drang seiner erwachenden Sexualität Sabine (Nicolette Krebitz) die Unschuld, nimmt den neuen Lehrer (Michael Greiling), der ein wenig befriedigendes Sexleben mit seiner Gattin führt, völlig für sich ein und verhilft seinem eher introvertierten Schul- und Busenfreund Ernst (André Eisermann) — ein Außenseiter wie er selbst — zur Entdeckung seiner homosexuellen Neigungen.

Die zunächst ganz alltäglich wirkende Geschichte entwickelt sich zu einem Strudel der Leidenschaften, die der lebenshungrige Arthur schürt. Unprätentiös, direkt und frech spielt Jürgen Vogel den vaterlosen Rebell, und sein sperriger Charme bleibt auch auf den Zuschauer nicht wirkungslos. Das malerische Idyll einer süddeutschen Kleinstadt täuscht dabei nicht über die zwanghaften Lebensformeln ihrer Bewohner hinweg. Diejenigen, die noch Lust und Wut im Bauch spüren, verfallen der Chuzpe Arthurs, der sich von niemandem vereinnahmen läßt. Weinhart inszeniert die Geschichte mit einem sicheren Gespür für seine Gestalten und es gelingen ihm Bilder, die man so schnell nicht vergißt. Nach einem Gelage ergießt sich Likör neben den Kopf des eingeduselten Arthur. Nach dem Rausch aber bringt nicht der Lehrer den Schüler auf den Weg der Kompromisse, Arthur reißt ihn mit ins richtige Leben. jk

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