Weihnachtliche Waffenruhe in Mostar?

■ Kroatisch-muslimischer Waffenstillstand unerzeichnet / Kroatischer Politiker startet neue Friedensinitiative

Sarajevo/Genf (taz) – Als „Erfolg“ und „positives Zeichen“ werteten kroatische Oppositionspolitiker das Abkommen zwischen Kroatien und Bosnien, die Waffen vom 13. Dezember bis 3. Januar schweigen zu lassen und die muslimanischen Gefangenen aus den Lagern Gabela und Heliodrom bei Mostar zu entlassen. Vorgesehen ist außerdem die Wiederherstellung der Verkehrsverbindung von Mostar über Jablaja nach Sarajevo.

Die nun getroffene Vereinbarung könnte ein erster Schritt auf dem Weg einer weitergehenden Regelung sein, hieß es in Zagreb. Es mehren sich in der Tat die Zeichen für einen Umschwung der Bosnien-Politik in Kroatien. Der Vorsitzende der stärksten Oppositionspartei hatte schon seit Monaten Präsident Tudjman aufgefordert, den Krieg in Bosnien zu beenden.

Auch in Sarajevo werden Hoffnungszeichen gesetzt. So erklärt der einflußreiche bosnisch-kroatische Politiker Stjepan Klujić, er selbst habe eine Initiative zur Beendigung der Kämpfe zwischen Kroaten und Bosniern begründet. „Hiermit sage ich Ihnen, daß wir in der nächsten Woche schon Frieden zwischen Kroaten und Moslems haben werden.“ Stjepan Klujić (54) ist Mitglied des bosnischen Staatspräsidiums und gewichtigster Vertreter der zentralbosnischen Kroaten. Der ehemalige Präsident der „Kroatisch Demokratischen Gemeinschaft (HDZ)“ in Bosnien, der von seinem Gegenspieler, dem selbsternannten Präsidenten der „Kroatischen Republik Herceg-Bosna“ Mate Boban im Februar 1992 als Führer der Kroaten Bosniens ausgeschaltet worden war, will mit dieser Äußerung ein deutliches Signal setzen. Der ehemalige Journalist und in Bosnien auch bei Muslimanen populäre Politiker ist eine wichtige politische Figur in Bosnien geblieben. Seit September wieder Mitglied des verkleinerten bosnischen Staatspräsidiums ist er zugleich nach Haris Silajdžić Vizepremier des bosnischen Staates. „Ich habe eine Initiative gestartet, die darin besteht, den Frieden in Zentralbosnien wiederherzustellen. Zwar steht hinter mir keine Armee, ich besitze nur meine Überzeugungskraft. An der Initiative sind viele Persönlichkeiten in Kroatien und anderswo beteiligt, und sie wird den kroatischen Präsidenten Tudjman und den bosnischen Präsidenten Izetbegović dazu zwingen, eindeutig Position zu der Frage Krieg oder Frieden zu beziehen.“ Wenn der Krieg nach dieser Initiative noch weiterginge, wäre klar geworden, wer gegen den Frieden handelt, erklärt Stjepan Klujić weiter.

Aufgrund seiner kompromißlosen Haltung für die Verteidigung des bosnischen Staates und des multikulturellen Zusamenlebens steht Klujić hinter der Ablehnung des Genfer Aufteilungsplanes durch Bosnien. Immer wieder betont er, daß Bosnien gezwungen sei, gegen die imperialistischen Ambitionen des „faschistischen Milošević-Regimes“ zu kämpfen. Es sei jedoch durch den kroatisch- bosnischen Krieg eine große Verwirrung in der Welt gestiftet worden, die sich noch vergrößert habe durch die Politik des moslemischen Politikers Fikret Abdić. „In der Welt herrscht jetzt der Eindruck vor, bei dem Krieg handele es sich nicht um eine Aggression Serbiens in Bosnien, sondern um einen Bürgerkrieg, ja, seit den Kämpfen zwischen Muslimanen und Muslimanen in der Bihać-Region sogar um einen Kampf der Stämme.“ Dies sei jedoch rundweg falsch. Fikret Abdić sei nur eine Figur in dem Spiel von Milosević. „Milosevićs Politik dient nur dazu, Izetbegović und damit Bosnien zu schwächen. Und Franjo Tudjman hilft ihm bisher dabei.“

Tritt Lord Owen zurück?

Im Vorfeld der für kommenden Woche angesetzten Verhandlungen zwischen den drei bosnischen Kriegsparteien zeichnen sich in den seit September umstrittenen Territorialfragen keine Einigungen ab. Das wurde am Freitag in Wien bei überraschend anberaumten Gesprächen zwischen dem bosnischen Regierungschef Silajdžić, Vertretern der EU sowie den beiden Vermittlern der Genfer Jugoslawienkonferenz, Owen und Stoltenberg, deutlich. In Genf widersprach Konferenzsprecher Mills den sich seit Tagen hartnäckig haltenden Hinweisen auf einen Rücktritt von EU-Vermittler Owen spätestens zum Jahresanfang 1994. Nach seinen Wiener Gesprächen erklärte Silajdžić, seine letzte Unterredung mit dem Parlamentspräsidenten der selbsternannten serbischen Republik, Karajisnk am Donnerstag am Flughafen von Sarajevo hätte keinerlei Annäherungen in den umstrittenen Territorialforderungen gebracht. Die bosnische Regierung fordert drei bis vier Prozent mehr Land für die künftig mehrheitlich muslimische Teilrepublik, als im UNO/EU- Dreiteilungsplan vom September vorgesehen. Claes und van den Broek forderten die Serben gestern auf, „diese berechtigten Gebietsforderungen zu erfüllen“. Auch mit der kroatischen Seite gab es bislang keine Annäherung in der Frage eines Adriazugangs für die künftige bosnisch-muslimische Teilrepublik. Was vor diesem Hintergrund in Genf und Brüssel überhaupt verhandelt oder unterzeichnet werden soll, wußte auch Konferenzsprecher Mills nicht zu sagen.

In Genfer Diplomatenkreisen hieß es gestern, mit Blick auf Weihnachten und die Wirkung der Bilder und Berichte aus dem bosnischen Krieg auf die Bevölkerung Westeuropas wollten die EU-Außenminister, daß die drei bosnischen Kriegsparteien am nächsten Mittwoch in Brüssel unter allen Umständen eine Vereinbarung unterzeichnen – und sei es den Dreiteilungsplan unter Ausklammerung der Landkarten. Damit wären die strittigen Territorialfragen lediglich aufgeschoben. E. Rathfelder/A. Zumach