Brandstifter

Wir haben im Rahmen eines empirischen Praktikums des soziologischen Instituts der Uni Hamburg eine Reihe von Intensiv-Interviews mit BürgerInnen in Wilhelmsburg durchgeführt. (...) Wie unsere Untersuchungen belegen, sehen die WilhelmsburgerInnen die soziale Problematik nicht in zu hohen Ausländeranteilen, sondern in zu wenig bezahlbarem und bedürfnisgerechtem Wohnraum, hoher Arbeitslosigkeit oder im Drogenhandel. (...)

Vielmehr äußerten sich in einer ganzen Anzahl der von uns geführten Interviews die BewohnerInnen Wilhelmsburgs negativ über die vom Hamburger Senat betriebene Wohnungs-, Sozial-, Arbeits- und Gesundheitspolitik. Nicht ein Zuviel an Ausländern war der Anlaß der Menschen, uns zu berichten, aber ein Zuwenig an Wohnungen, Arbeitsplätzen, Sozialhilfe, an Freizeitmöglichkeiten, Kindergartenplätzen, sozialen Einrichtungen für alte Menschen und für Jugendliche. - Ein gespanntes Verhältnis zwischen Deutschen und Ausländern liegt zwar vereinzelt vor, wird jedoch meist von außen hereingetragen und eben auch durch die von Voscherau gemachten Äußerungen erzeugt. (...)

Die sogenannte Entschuldigung Voscheraus (...) macht deutlich, daß Voscherau keineswegs von dem abweicht, was er in dem bewußten Interview in der BILD-Zeitung geäußert hat. Es ging nicht um die Frage von Toleranz oder Intoleranz (...). Es ging um die Frage einer Zuzugsbeschränkung von ausländischen BürgerInnen (...). Davon hat sich Voscherau, so jedenfalls in dem in der taz veröffentlichten Teil seiner „Entschuldigung“, nicht distanziert. (...)

Wer (...) öffentlich darüber nachdenkt, wie die Auswirkungen einer menschenfeindlichen Politik personifiziert werden können, und wer in einer Sprache Politik betreibt, die eine Unterscheidung zu rechten Gruppierungen nicht mehr zuläßt, in dem sehen wir schon nicht mehr den Biedermann, sondern den eigentlichen Brandstifter.

Malte Friedrich, i.A. von Studierenden des Instituts für Soziologie, Uni HH, Vergleichende Stadtforschung