Flucht aus Bordell "Bienenkorb"

■ Gericht verurteilt Zuhälter Todor P. wegen Menschenhandels / Neun Monate auf Bewährung / Unklar bleibt allerdings, ob Klägerin nicht freiwillig anschaffen ging

Todor P. ist kein schmieriger Vertreter aus dem Berufsstand der Zuhälter. Der Angeklagte wirkt sympathisch, vertrauenerweckend. Er blickt freundlich drein. Da hat die einundzwanzigjährige Solvig H. ganz recht. Doch trügt der Schein? Solvig H. beschuldigt Todor P., daß er sie zur Prostitution gezwungen habe. Eine Woche lang ist sie im Sommer 1993 für ihn anschaffen gegangen, dann nahm sie Reißaus und rettete sich zur Polizei.

Von dieser Variante will der Angeklagte aus Lichtenberg nichts wissen. Die 17. Strafkammer des Berliner Landgerichts aber hielt den gelernten Baufacharbeiter für schuldig. Wegen Menschenhandels verurteilte die Kammer Todor P. zu neun Monaten Freiheitsstrafe, wenn auch auf Bewährung. Auf den ersten Blick erscheint das Urteil mild, denn die mögliche Höchststrafe in einem minderschweren Fall liegt bei fünf Jahren Haft. Das Gericht vermochte jedoch nicht alle Fragen zweifelsfrei zu klären.

Unklar blieb, ob Solvig H. nicht freiwillig ihre Arbeit im Bordell „Bienenkorb“, Nähe Oranienburger Straße, aufgenommen habe. Solvig H. stritt das ab. Sie vertraute Todor, den sie in einer Disco kennengelernt hatte. Zwar war ihr nicht fremd, daß in dieser Disco Zuhälter verkehrten. Verschiedene Anträge waren ihr schon gemacht worden, denen sie aber immer „tapfer widerstand“, so Richter Hans-Christian Luther.

Todor zeigte sich perfider. Bei einem Essen habe sie ihm von ihren Mietschulden und ihrer Arbeitslosigkeit erzählt, so Solvig H. vor Gericht. Todor habe geantwortet, er könne vielleicht etwas für sie tun, in der Firma des Vaters, aber Todor hatte anderes im Sinn. Die Verlobte von Todor, die 21jährige Daniela R., soll Solvig H. noch am gleichen Abend zum „Bienenkorb“ gebracht und herumgeführt haben. Todor fuhr Solvig H. später nach Hause und habe ihr gedroht: „Du weißt jetzt zuviel!“

Bereits am nächsten Abend solle sie sich bereithalten, falls sie nicht das Leben ihres Sohnes in Gefahr bringen wolle. Bei aller Furcht vor den Methoden „des Zuhälters und seinen Leuten“, das die Kammer Solvig H. zugestand, schien das Gericht nicht überzeugt. Vielleicht lockte sie im „Bienenkorb“ doch das versprochene Geld, welches sie allerdings nie in die Finger bekam. Oder es gab doch eine intime Beziehung zwischen ihr und dem Angeklagten, wie dieser behauptet hatte: „Ich habe ihrem Begehren nachgegeben! Wir hatten Sex!“ Auch seine Verlobte Daniela war davon überzeugt, daß Solvig H. ihr den Mann ausspannen wollte.

All das wollte das Gericht nicht ausschließen. Richter Luther hielt aber die Aussagen Solvigs über die Drohungen im weiteren Verlauf für schlüssig. Als Solvig H. ausgebüchst war, hatte Todor ihre Mutter angerufen und ihr geflüstert: „Wenn ich Ihre Tochter finde, kriegt sie Haue!“ Ralf Knüfer