„Ekeltraining“ entlang der Potsdamer Straße

■ Wohnprojekt der Drogenhilfe BOA in Tiergarten feiert fünfjähriges Bestehen

Seit fünf Jahren steht das Wohnprojekt der BOA e.V in der Pohlstraße für einen in Berlin einmaligen Ansatz der Drogenhilfe. Unter einem Dach arbeiten und leben ehemalige Drogenabhängige, HIV-Positive und Aidskranke.

Die Langzeittherapie im Wohnprojekt im Bezirk Tiergarten gründet sich nicht auf einen drogenpolitischen Königsweg. Therapieformen werden miteinander vermischt. Angewandt wird unter anderem auch die Substituierung mit L-Polamidon, sofern sie medizinisch angezeigt ist.

Die Erfolge nach fünf Jahren lassen sich sehen: Von insgesamt 16 BewohnerInnen leben inzwischen zehn in ihren eigenen Wohnungen und gehen je nach ihrem gesundheitlichen Vermögen einer Arbeit nach. Nur einer ist bisher abgesprungen.

Im Gegensatz zu anderen Langzeittherapien ist die Verweildauer in dem Projekt nicht vorgeschrieben. „Es gibt keinen Zeitplan, der einzuhalten ist“, erläutert Rolf Bergmann, der Leiter von BOA. „Unsere Klienten sollen dann ausziehen, wenn sie sich reif für die Realität fühlen und dem Druck standhalten können.“

Das Leben jenseits der Drogen kann nur gelingen, wenn die Abhängigen lernen, selbstverantwortlich zu handeln. Die 38jährige Karin T., eine ehemalige Bewohnerin, nennt das Problem beim Namen: „Bevor man aufgenommen wird, muß man clean sein, aber was danach kommt, läuft im Kopf ab.“ Die Regeln im Projekt erscheinen auf den ersten Blick überraschend liberal. Der Konsum von Drogen, auch von Alkohol, ist in der WG allerdings nicht gestattet. Die Bewohner können ihren Tagesablauf frei gestalten. Dabei liegt die Szene um Potsdamer- und Kurfürstenstraße direkt vor der Tür. Die Flucht vor der Droge ist nicht möglich, die Droge ist beim ersten Schritt auf die Straße präsent.

„Ekeltraining“, nennt der 42jährige Dieter K. die permanente Konfrontation mit der Szene. Der 42jährige hat den Schritt aus dem Projekt gemacht. Emotionslos resümiert er: „Das Wichtigste war das Miteinanderreden, ohne daß der moralische Zeigefinger gehoben wurde.“

Zwei BetreuerInnen stehen für Gespräche mit den Drogenabhängigen zur Verfügung. „Das Gesprächsangebot besteht auf freiwilliger Basis“, betont Betreuerin Roswitha Jauris. „Die Therapie funktioniert nur mit den Leuten, nicht gegen ihren Willen.“

Die Hauptaufgabe der BetreuerInnen besteht darin, bei Krisensituationen wie Rückfallgefahr oder Erkrankung zu helfen und dabei möglichst reale Lebensverhältnisse zu schaffen. Die WG-Mitglieder bestreiten deswegen ihre Miete zum größten Teil aus der eigenen Tasche und gehen, sofern es ihr Gesundheitszustand möglich macht, einer Arbeit nach. Die soziale Eingliederung ist das Ziel. Auf der Szene ist das Projekt anerkannt. 60 Menschen stehen noch auf der Warteliste. Ralf Knüfer