Graue Emmy gegen den Grünen Punkt

■ Sero AG möchte mit traditionellem Müllkonzept Ostberlin zurückerobern / Konzept knüpft an sparsamen Umgang mit knappen Rohstoffen an / Sammelbons

Möglicherweise erhält der Grüne Punkt in Berlin bald Konkurrenz. Auf der Welle der DDR- Nostalgie wollen die Sero-Nachfolger in Ostberliner Wohngebieten wieder Annahmestellen für Altpapier, Glas und anderes wiederverwertbares Material eröffnen. Und an Kaufhallen sollen Containerstationen eingerichtet werden. Nachdem die Münsteraner Brüder Johannes und Dieter Löbbert vor drei Jahren Betriebe des Kombinats für Sekundärrohstoffe (Sero) in Frankfurt/Oder, Cottbus, Potsdam und Neubrandenburg von der Treuhand aufkauften, floriert dort bereits das Müllgeschäft nach dem Muster sozialistischer Planwirtschaft.

Mittlerweile ist Sero mit rund 100 Annahmestellen, Betriebs- und Recyclinghöfen außer im Land Brandenburg in Mecklenburg-Vorpommern sowie in Teilen von Sachsen und Sachsen-Anhalt präsent. Etwa 200 Millionen DM wurden eigenen Angaben zufolge umgesetzt.

Um Sekundärrohstoffe für die Volkswirtschaft zu gewinnen, war das Sero-Erfassungssystem in der DDR flächendeckend bis ins kleinste Dorf ausgebaut. Im Unterschied zum Grünen Punkt handelte es sich um ein sogenanntes Bringsystem, das abgesehen von den logistischen Problemen hervorragend funktionierte. Der DDR-Bürger wurde von Kindheit an zum sparsamen Umgang mit Rohstoffen erzogen.

An dieses Umweltbewußtsein knüpft die neue Sero AG an. Man weiß, daß Kinder und Jugendliche die fleißigsten Wertstoffsammler waren und wirbt an Schulen oder auf Kinderfesten mit dem altbekannten Maskottchen Emmy, einer Elefantendame, für den Umweltschutz. Bei der Wertstoffabgabe werden dem Nachwuchs Bonuspunkte in einer „Emmy-Clubkarte“ gutgeschrieben, wofür es Geschenke vom Zeichenstift bis hin zum Trekking-Zelt gibt. Für ein Kilo Altglas gibt's einen symbolischen „Umweltpfennig“.

Bislang muß sich die Sero AG in Berlin auf das Einsammeln von Gewerbemüll beschränken. Die Wertstoffe von Gaststätten und Hotels am Kurfürstendamm werden in geruchsdichten Deckelsäcken erfaßt. Angesichts wachsender Abfallberge sehnen sich dabei die Ostberliner nach den bekannten Sero-Annahmestellen zurück. Sero könne das Duale Müllsystem der Gelben Tonne zumindest sinnvoll ergänzen, meint die Leiterin des Hohenschönhausener Umweltamts, Ellen Jaenisch. Im Bezirk seien die Bürger mit den vom Westen übernommenen Abfall-Iglus „nicht glücklich“. Beim System nach Sero-Muster sei besser kontrollierbar, daß tatsächlich nur Wertstoffe entsorgt werden, so die Chefin des Umweltamts. Besonders in den Plattenbausiedlungen funktioniert das System der gelben Tonnen nicht so, wie es sein müßte.

Für eine Renaissance des Sero- Modells spricht sich auch Umweltstaatssekretär Lutz Wicke aus. Beispielsweise hält er das verstärkte Einsammeln von sortenreinem Altpapier für sinnvoll. Wie es aus Wickes Hause heißt, kann allerdings der Senat nicht von sich aus Sero mit der Wiederverwertung von Verpackungen aus dem Haushaltsbereich beauftragen. Dies sei Sache der Grüne-Punkt- Dachgesellschaft DSD in Bonn.

Größter Vorteil des Sero-Modells ist nach Ansicht von Unternehmenssprecher Werner-Günter Lange die nahezu sortenreine Erfassung von Altpapier, Glas oder Verbundmaterialien. Vor dem Recyceln der Wertstoffe müßte anders als beim Grünen Punkt kaum unbrauchbarer Unrat aus dem Verpackungsmüll heraussortiert werden. Im Unterschied zum Grüne-Punkt-System würden in den Annahmestellen auch Zeitungen, Zeitschriften, Wellpappen, Kaufhauskartonagen und Computerausdrucke getrennt gesammelt. Der Verkauf des so separierten Altpapiers an die Fabriken bringe weit höhere Erlöse ein, sagt Lange. Einen geschäftlichen Durchbruch erhofft sich der Sprecher, wenn die geplante Elektronikschrott-Verordnung kommt und Verleger die Verwertung ihrer Druckerzeugnisse bezahlen müssen.

Daß es auch in Berlin wieder Sero-Annahmestellen geben könnte, versetzt die etablierten Grüne- Punkt-Müllentsorger natürlich in Aufregung. Der Chef der Dass- GmbH, Mönnig, kündigte bereits an, er werde „alles daransetzen, daß Sero hier nicht zum Zuge kommt“. Thomas Knauf