Von der Wand in den Mund leben

■ Galerie Basta sucht mit einer Ausstellung ohne Kunstwerke den Dialog mit dem Publikum

Eine Vernissage ohne Kunstobjekte in der Galerie Basta. Das Weinglas ratlos in der Hand drehend, harren etwa 50 Interessierte am Freitag abend der Dinge, die sich unter dem Ausstellungstitel Sammler gesucht, der in handgemalten Druckbuchstaben mehrfach an den weißen Wänden prangt, in der kleinen Galerie in der Jarrestadt ereignen sollen.

„Bewußt keine Kunst“ wolle er zeigen, postuliert der Hamburger Künstler, Kunsthistoriker und -kritiker Hajo Schiff, damit gar nicht erst der Eindruck entsteht, hinter den Menetekeln an der Wand verberge sich künstlerische Absicht. Wird heute auf x-beliebigen Eröffungen nach einleitenden Worten eines Menschen vom Fach nur noch selten über die gezeigten Werke geredet, so sollte es nun umgekehrt funktionieren: Die Aussparung der Kunstwerke als Anlaß für intensive Gespräche darüber, wie und ob die Kunst heute noch als ein adäquates Mittel des Begreifens von Welt vermittelt wird.

Uwe Mokry, der die Galerie Basta nun im fünften Jahr nach dem Motto „eher still, aber nachhaltig wirkend“ leitet, hatte schon länger über eine Aktion nachgedacht, die „die aktuelle Katerstimmung in der Kunstszene“ nach dem Zusammenbruch des Kunstmarktes unter dem speziellen Aspekt des „nachhaltig gestörten“ Dreiecksverhältnisses „Künstler-Kunstmarkt-Sammler“ beleuchtet, eine Aktion, die in der um sich greifenden Ratlosigkeit versucht, Fragen und Gespräche auszulösen. Drum bat er Hajo Schiff, einen Essay zu verfassen, der „in der Sinnkrise“ die Selbstreflexion fördern soll.

„Was ist eine Galerie für ein Ort, was suchen und was finden wir hier?“ fragt Galerist Uwe Mokry einleitend und sagt, er verkaufe keine gewöhnliche Ware, sondern ein Lebensmittel. „Ich weiß genau, daß die Kunst unentbehrlich ist, ich weiß nur nicht genau wobei“, meinte Jean Cocteau, den Schiff wenig später zitiert. Frei und mit einem Tonfall leiser Eindringlichkeit trägt Hajo Schiff im Kreise von noch unter 60jährigen Sammlern, potentiellen Sammlern, Künstlern und Freunden seinen kritischen Essay zur Situation zur Kunstvermittlung: „Sammler gesucht“ vor. Mit der Anekdote über den jungen Michelangelo, der vor knapp 500 Jahren einen Marmorkopf schuf, ihn in die Erde vergrub, ihn wenig später ausgrub und als antiken Fund teuer verkaufte, leitet Schiff seine Betrachtung ein, andeutend, daß das Geschäft mit der Kunst selten ein sauberes gewesen sei - sondern stets eines, bei dem manipuliert, gefälscht und spekuliert wurde und wird - ohne zu unterschlagen, daß „unverzichtbare Sachkenntnis und kriminelle Energie zum seit Jahrhunderten gleichgebliebenen Rüstzeug des Völkchens mittelständischer Mittler“ gehören.

Mit unverkennbarem Pessimismus pickt Hajo Schiff die Sandkörner im Getriebe des „Betriebssystems Kunst“ auf, was den Rahmen eines dreizehnseitigen Essays eigentlich nur sprengen kann, aber ein Anhaltspunkt für den Frust ist, den der Autor über die Verflachung im Kunstsektor schiebt.

Was denn durch die 250.000 Menschen, die 1993 die Picasso-Ausstellung in der Kunsthalle sahen, gesellschaftlich bewegt worden sei, fragt er. Behaupten ließe sich auch das Gegenteil, schließlich ist nicht erwiesen, daß sich im einzelnen Besucher nichts getan hat.

Hajo Schiff provoziert solche Widersprüche, aber was macht nun Galerist Uwe Mokry damit? Er will sich über die Fülle von Denkanstößen mit Besuchern der Ausstellung des Nichts ausführlich austauschen, was bereits am Eröffnungsabend begonnen hat. Sammler gesucht? Die Galerie Basta ist derzeit eher ein Raum, in dem sich Suchende sammeln.

jk

Galerie Basta, Großheidestr. 21, Di bis Fr 14 bis 19 Uhr, Sa 13 bis 15 Uhr; Freitag, 25. 2., 19 Uhr: Diskussion mit Elsbeth Arlt (Künstlerin), Dietmar Brandstätter (Künstler), Elke Dröscher (Galersitin), Ulrich Luckhardt (Kunsthistoriker), Hajo Schiff und Joachim Schmidt (AAA - Art Addicts Anonymous); Textheft „Sammler gesucht“ 10 Mark; bis 24. März