Prügeleinsatz endet mit Geldstrafen

■ Jugendschöffengericht verurteilte zwei Polizisten wegen Körperverletzung / Richterin glaubte den türkischen Opfern

Zu Geldstrafen wegen fortgesetzter Körperverletzung verurteilte das Jugendschöffengericht in Moabit gestern zwei Polizisten. Die Kammer befand den 29jährigen Polizeiobermeister Thomas K. und den 23jährigen Polizeimeister Thorsten J. für schuldig, am 2. November 1991 die Mitglieder der türkischen Familie S. verprügelt und getreten zu haben. Zwei mitangeklagte Polizisten sprach das Gericht frei. Die Geldstrafen betragen 4.900 und 3.300 Mark.

Nach einer verbotenen Demonstration, die sich gegen eine Veranstaltung der Reps richtete und von den Beamten aufgelöst worden war, geriet die Familie S. an der Kreuzberger Adalbertstraße in den Sichtkreis der Polizei. Um angeblich weitere „gefährliche Versammlungen“ zu verhindern, wurden der Sohn Koray S. und zwei seiner Freunde an eine Wand gestellt und durchsucht. Als die Mutter Tülay S. herbeieilte, um sich nach dem Grund für die Willkürmaßnahme zu erkundigen, habe sie die Antwort erhalten: „Halt die Schnauze, Scheiß-Kanake.“ Familienvater Yavus S. protestierte gegen die Beleidigung und sollte daraufhin festgenommen werden. Im weiteren Verlauf setzte es Prügel gegen Mutter und Vater S. Sie erhielt einen Tritt in den Unterleib. Im Krankenhaus wurden bei Vater S. diverse Schlagverletzungen festgestellt, darunter eine schwere Brustkorbprellung, die ihn wochenlang arbeitsunfähig machte.

Bei Strafverfahren gegen Polizisten ähneln sich die Probleme der Beweisführung meist. Ist der Angeklagte derjenige welcher, oder war es doch ein anderer? Schließlich ist die Einsatztracht der Beamten eben auch eine wirksame Vermummung. Die Beamten vor Ort haben meistens „nichts gesehen“ oder können sich „nicht erinnern“. Im Zweifel für den Angeklagten, heißt es oft am Ende.

Der Prozeßverlauf ließ auch diesmal nicht viel mehr erwarten. Die Angeklagten stritten alles ab. Die Verteidigung versuchte, die Identifizierung der beiden verurteilten Beamten durch die Familie S. unglaubwürdig erscheinen zu lassen („Vater S. will ihn an den Augen erkannt haben“, so ein Verteidiger.) Um die Angelegenheit zu vereinfachen, plädierte Staatsanwalt Carl-Friedrich Koerner für Freispruch der vier Polizisten. Spätestens nach dem Plädoyer stand für den 48jährigen Publizisten Yavus S. fest: „Der Staatsanwalt schützt die Polizisten“, meldete er sich im Saal zu Wort.

Die Strategie der Verteidigung ging gestern nicht auf. Die Vorsitzende Richterin Sabine Eberhardt ließ sich nicht bluffen. Sie hielt die Aussagen der Eheleute S. für glaubhaft: „Die Zeugen sind ja keine Chaoten.“ Nach allen Aussagen hielt sie die Körperverletzung für erwiesen. Die Richterin rügte zudem die schlampigen Ermittlungen. Der Staatsanwalt hatte zwei Beamte auf die Anklagebank gesetzt, die wohl nichts mit dem Prügeleinsatz zu tun hatten. Spanisch kam der Richterin vor, was überhaupt zu der Durchsuchung geführt hatte: „Sind fünf Leute bereits eine Gefahr im Sinne des Versammlungsverbots?“ fragte sie. Unübersichtliche Verfahren wie dieses kämen nur zustande, weil bei den Beamten deutlich sichtbare Dienstnummern fehlten. Ralf Knüfer