Sozi-Basis darf ChefIn direkt wählen

■ Satelliten-Demokratie auf SPD-Parteitag gerät zum Flop / Eklat um Wilhelmsburg Von Florian Marten

Hamburgs SPD-Mitglieder dürfen ihre kommende SPD-Chefin per Brief- und Urnenwahl selbst auswählen. Dies beschloß der Landesparteitag am Samstag im Curiohaus. Damit sich nicht allzuviele beteiligen, werden die Briefwahlunterlagen nur auf persönliche Anforderung zugestellt, eine Bremse, die auf das Konto der SPD-Linken geht. Unklar ist bis zur Stunde das Wahlverfahren selbst, hier muß der Landesvorstand nachsitzen.

Noch unklarer die Bewerbungslage: Offziell kandidieren bislang lediglich Favorit Jürgen Mantell und Außenseiter Alexander Geppert. Am 2. März, Posteingang Kurt-Schumacher-Haus, ist der endgültige Bewerbungsschluß.

Gut 500 Delegierte, Gäste und Journalisten erlebten am Samstag zunächst den Versuch, per Satelliten-Konferenz von 27 zeitgleichen SPD-Versammlungen in ganz Deutschland modern, effizient und demokratisch über die Wahlkampfstrategie 1994 zu informieren. Fast 3 Stunden lang flimmerte die Leinwand und dröhnten die Lautsprecher mit Telekom-Werbespots, müden Info-Tafeln und langweiligem Statement-Salat sattsam bekannter Gesichter (Scharping, Schröder, Rau). „Polit-Peep-Show“ witzelte ein Spitzensozi und verließ – gemeinsam mit mehr als der Hälfte der GenossInnen – fluchtartig den „Vorführraum“ zum dreistündigen Small Talk in Fluren und Lobby des Curiohauses. Eine Pinnwand mit Telefonnumern neben einem Münztelefon an der Treppe sollte zum kritischen Rückruf animieren – eine Form des Mitmachens, auf das die HamburgerInnen verzichteten. Begeisterung und ein schlagartig voller Saal, als das Weltall endlich verstummt.

Danach die Abstimm-Routine: Die BundestagskandidatInnen (Klose, Dobberthien, Duve, Mertens, Niese, Zumkley und Curilla) werden folgsam durchgestimmt, allein Zumkley erhielt mit bloß 145 von 280 Stimmen eine symbolische Ohrfeige. Gespannte Aufmerksamkeit zunächst für Nord-IG-Metallchef Teichmüller und seine brillante Arbeitskampfanalyse, danach auch für die Bürgerinitiative Wilhelmsburg. Sie darf gegen den geplanten Müllofen in Neuhof wettern: „Zeigen Sie dem Senat die rote Karte!“ Eine eindringliche Entgegnung von Umweltsenator Fritz Vahrenholt („Laßt mich nicht alleine!“) erntete dennoch großen Beifall, bis Bundestagskandidat Hans-Ulrich Klose dagegenhielt: „Soviele Stimmen kann ich im restlichen Harburg gar nicht gewinnen, wie ich in Wilhelmsburg an Rep und DVU verliere ...“. Vahrenholt verfolgte Kloses Attacke entgeistert von der Empore: „Sachargumente zählen offenbar überhaupt nichts.“

Zweites Highligt dann der selbstkritische Doppelschlag von Parteichef Helmut Frahm und der Sektenexpertin Ursula Caberta. Frahm: „Die Menschen wollen sicht nicht mehr von uns die Welt erklären lassen und das, was gut für sie ist. Sie wollen mitgestalten.“ Frahm rief nachdrücklich zu Verjüngung, Erneuerung und Demokratisierung auf. Noch schärfer „Uschi“ Caberta: „Mit Kunglern und Kadern muß Schluß sein.“ Die Partei müsse zu Demokratie und inhaltlichen Debatten zurückfinden: „Ich rufe Euch auf, bewerbt Euch für den Parteivorsitz.“