Geisterbahn im Berliner Untergrund

■ BVG wird schon bald auf der Linie 9 den vollautomatischen, fahrerlosen U-Bahn-Betrieb testen / Premiere im Jahr 2000?

Noch in diesem Jahr will die BVG damit beginnen, technische Komponenten für einen vollautomatischen U-Bahn-Betrieb ohne Fahrer zu erproben. Vorgesehene Versuchsstrecke ist die Linie 9 zwischen Osloer Straße und Rathaus Steglitz. Über Kabelschleifen im Gleisbett und Antennen werden hier die Züge schon automatisch gesteuert: Grundvoraussetzung für einen führerlosen Zugbetrieb.

Bereits 1981 rollte eine U-Bahn automatisch auf der Stummellinie 4 vom Nollendorfplatz zum Innsbrucker Platz. Die sogenannten Seltrac-Züge der Firma Standard Elektric Lorenz AG (SEL) gelten inzwischen aber als technisch veraltet: vom Steuerungscomputer im Stellwerk Nollendorfplatz können keine Betriebsdaten an die Fahrzeuge übermittelt werden. Ebenso wie jetzt noch auf der U 9 werden zudem weiter Fahrer und Bahnsteigaufsichten gebraucht; vor allem, um im Störfall eingreifen zu können. Dafür, daß die Züge ohne Fahrer und Abfertiger durch den Untergrund brausen können, fehlt bis jetzt die wesentlichste Voraussetzung: Sowohl die Bahnsteigkanten als auch das Streckenprofil müßten mittels technischer Systeme gesichert und überwacht werden. Welches System für diesen Zweck am besten geeignet ist, möchte die BVG deshalb jetzt untersuchen. Es böte sich an, die Bahnsteige mit Infrarotsensoren oder Bewegungsmeldern zu kontrollieren. Gedacht ist jedenfalls an einen „elektronischen Vorhang“ an der Bahnsteigkante, so der Technologie-Beauftragte der Verkehrsverwaltung, Hans-Jürgen Rösgen, zur taz.

Ginge es nach dem Wunsch des für Zugsicherungstechnik zuständigen BVG-Direktors Konrad Lorenzen, wird in Berlin schon bis zur Jahrtausendwende die erste vollautomatische U-Bahn-Strecke eingeweiht. Die für die U-Bahn Verantwortlichen sehen das anders, denn in Deutschland gibt es bislang nirgendwo vollautomatischen Zugbetrieb, den Lorenzen im Zusammenhang mit dem geplanten Leit-, Informations- und Sicherungssystem (LISI) einführen will. Das heißt, daß die BVG in die Entwicklung der modernen Technik erst riesige Summen investieren müßte – aber das Geld hat sie nicht.

Erst langfristig werde es möglich sein, die Kosten der High- Tech-U-Bahn durch Personaleinsparungen bei den rund 2.500 U-Bahn-Fahrern zu kompensieren, gab der Chef der U-Bahn, Klaus Lipinsky, zu bedenken. „Aus Verantwortung für die Mitarbeiter kann man da nichts übers Knie brechen.“ Die führerlosen U-Bahnen seien nur dann sinnvoll, wenn der Fahrerstamm „sozialverträglich“ abgebaut oder umgeschult werden könne. Thomas Knauf