Die Vegesacker Vorsehung

■ Zum An- und Hinterhergucken: Kunstfiguren (und anderes) sollen den öden Vegesacker Bahnhofsplatz beleben D

Einen Brunnen hätte es geben sollen auf dem Vegesacker Bahnhofsvorplatz, die Verweilalternative zu den unzähligen Bushaltestellen. 100.000 Mark stellte die Bremer Stiftung Wohnliche Stadt vor Jahren bereits für das Projekt zur Verfügung. Es kam nie zu seiner Realisierung. Der Platz in all seiner Häßlichkeit blieb vom Brunnen verschont, das Brunnengeld unausgeschüttet.

Mit diesem Säckel in der Hand hat schließlich die Kulturbehörde doch noch einen zweiten Anlauf zur „Rettung“ des Bahnhofsvorplatz gestartet. Und wieder mal die Kunst gebeten, doch bitte dem architektonischen Mißgeschick Abhilfe zu leisten. Sie möge doch bitte die Wagenburg durchbrechen und vor allem eine neue Verbindung zum über der Straße liegenden Hafenkopf herstellen. Man schrieb den Anti-Brunnen-Ideenwettbewerb aus, präsentierte dann die Ergebnisse im Kulturbahnhof und ließ die VegesackerInnen öffentlich deren Tauglichkeit diskutieren.

Zu goutieren waren dort fliegende Fischskulpturen, ein aufgestellter Schiffskörper, ein Stahlplattenwal, Interviews auf Minikassetten, und Fernglasfiguren von Thomas Recker. Er läßt auf seinen Entwurfsskizzen die verlängerte Grohner Düne vom Bahnhofsplatz auf- und zum Hafenbecken runtersteigen und bestückt sie mit überlebensgroßen in die Ferne guckenden Bronzefiguren, nach Art von Caspar David Friedrich. Ein humoriges Arrangement, das zum Mit-, zum Nachgucken animiert und suggestiv den Platz zum Wasser hin erweitert. Bunt bemalt stellt sich Thomas Recker seine Vorseher vor. Ihm, der gerade mit der metergroßen Kissenskulptur auf dem Platz an der Findorffer Hemmstraße Furore macht, schwebt auch für Vegesack eine Art Piazza vor.

Das gefiel auch der Jury – bestehend aus auswärtigen KünstlerInnen, Ortsamtsbeirat, der Bremischen (Gesellschaft für Stadterneuerung, Stadtentwicklung und Wohnungsbau) und Kultur- und Baubehörde –, die Reckers Guckfiguren jetzt der „Preisgruppe I“ des Wettbewerbs zugedacht hat. Zwei Entwürfe sind darin als Idee bereits 6.000 Mark und der Jury die Empfehlung an die Künstler wert, doch weiterzudenken und zu -arbeiten.

Auch Henning Hölscher und seiner „architektonischen Landschaft“ gestand sie dies zu. Hölscher möchte gerne ein Loch mit 36 Meter Durchmesser und in die Mitte des Platzes treiben, sozusagen den Mündungsbereich des Aueflusses wieder ausgraben und künstlich nachempfinden. Die Leute können bei ihm dann entweder in 2,50 Meter Tiefe hinabsteigen oder den Kreis auf diagonal darüberliegender Brücke überqueren. Zum Hafenkopf hin würde Hölscher gerne vier (Aussichts-)Türme auf Holzplateau errichten.

Wann und wie allerdings entweder Beckers oder Hölschers weiterentwickelte Ideen überhaupt umgesetzt werden können, ist noch gänzlich ungewiß. Denn mit 100.000 Brunnengeld ist beides nicht zu realisieren, woher die Restmittel kommen sollen, weiß niemand. Und überhaupt hängt die ganze Realisierung am seidenen Faden der Baumaßnahmen in der benachbarten Lürssenwerft. Vorher kann an eine Hafenkopfumgestaltung gar nicht gedacht werden.

Kleine Pikanterie am Rande: Der Entwurf „Nr. 5456“ aus der „Preisgruppe II“ (5.000 Mark für besondere Leistungen), ein Treppenimplantat mit der Inschrift it's too late to stop now ist leider ohne Verfasserangabe. Bitte melden! sip

Die Preisträger sind ab morgen im Ortsamt Vegesack zu sehen