Heimliche Schatten mit Kurzhaarschnitt

■ Sie weichen keinen Schritt von ihren Objekten, und bei höchster Dringlichkeitsstufe sind sie 24 Stunden am Tag präsent: Bodyguards / wer sich in Berlin wie schützen läßt / Großes Bedürfnis nach ...

Wenn Kreuzbergs Bezirksbürgermeister Peter Strieder durch die Oranienstraße geht, wird sein Auftritt zu einer eigentümlichen Inszenierung: Vorneweg der Sozialdemokrat in Jeans und legerer Jacke, hintenan drei Bodyguards in grau- blauen Anzügen, mit breiten Schultern und schnittigen Kurzhaarfrisuren. Wo immer Strieder in diesen Wochen auftaucht, ob bei Bürger- oder Parteiversammlungen: Seine heimlichen Schatten sind stets dabei und weichen keinen Schritt von ihm.

Der ungewöhnliche Aufwand für einen Bezirkspolitiker hat einen triftigen Grund: Für Strieder gilt seit Dezember die höchste Sicherheitsstufe, nachdem die selbsternannte linke Kadertruppe „Klasse gegen Klasse“, die in den letzten Monaten bereits mehrere Anschläge verübt hat, ihm eine Morddrohung zusandte.

Die Bewachung von Politikern, Diplomaten, aber auch Privatpersonen obliegt in Berlin dem polizeilichen Staatsschutz. Die Funktion als neue Hauptstadt und der anvisierte Umzug von Regierung und Ministerien führe „zwangsläufig zu einer Erhöhung unserer Einsätze“, erklärt der zuständige Inspektionsleiter für Personenschutz, Bernd Meyer. Näher in die Karten blicken lassen sich die Beamten nicht. Wie viele Leibwächter zur Verfügung stehen und wie viele Personen um ihre Dienste bitten – darüber wird in der Behörde eisern geschwiegen.

Grundsätzlich könne sich jeder an den Staatsschutz wenden, erklärt Meyer. „Wir prüfen dann, ob wir die Einschätzung des Betroffenen teilen“, sagt Meyer. Ist das der Fall, werden der Umfang der Bewachung und die entsprechende Sicherheitsstufe festgelegt. Notwendig ist eine „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ mit den Betroffenen, meint Meyer: „Was wollen wir mit jemandem, der nicht mitspielt.“ Spitzenpolitiker wie etwa Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) werden 24 Stunden am Tag beschützt.

Wer sich vor ungebetenen Schnüffeleien schützen will, kann sich seine Daten beim Landeseinwohneramt sperren lassen. Rund 5.000 von 3,4 Millionen Berlinern machen davon derzeit Gebrauch. „Die Zahl ist seit einigen Jahren konstant geblieben“, versichert Peter Knief, Leiter der Abteilung Einwohnerwesen. Wer sämtliche Informationen – vom Vor- und Familiennamen über die gegenwärtige Anschrift bis hin zu detaillierteren Auskünften über den Tag des Ein- und Auszugs – unter Verschluß halten möchte, muß strenge Maßstäbe erfüllen. Das Berliner Meldegesetz schreibt vor, daß in solch einem Fall nur dann eine Datensperre verfügt wird, wenn dem Betroffenen „Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Belange“ droht. Wer etwa mit seinem Namen auf einer rechts- oder linksextremen Liste auftaucht, kann nicht automatisch mit einer Datensperre rechnen. „Wir brauchen hierfür zusätzliche Informationen, etwa durch die Polizei oder die Justiz, die eine tatsächliche Bedrohung erhärten“, so Knief.

Beim Telefonieren scheinen besonders viele Berliner auf ihre Privatsphäre zu achten. Von zwei Millionen Anschlüssen sind nach Angaben der Telekom nur 1,36 Millionen im Telefonbuch verzeichnet und somit auch über die Auskunft zu erfahren. Wer sich bedroht fühlt, kann bei der Telekom für 65 Mark eine Geheimnummer beantragen. „Sofern es technisch möglich ist und eine freie Nummer zur Verfügung steht, können wir kurzfristig helfen“, meint Telekom- Sprecher Bernhard-Alexander Krüger.

Um Drohungen und Belästigungen von Unbekannten feststellen zu lassen, richtet die Telekom auch Fangschaltungen ein. Mit ihr können die Anrufer sogar bis in Telefonzellen zurückverfolgt werden. Das technische Zubehör muß der Kunde allerdings selbst tragen. Zwei Wochen kosten 79 Mark. Das System hat nur einen großen Nachteil: Anrufer außerhalb des Ortsnetzes Berlin können nicht festgestellt werden. Wer sich die aufreibenden schriftlichen Anträge ersparen will, kann immer noch auf die einfachste Varianten zurückgreifen: einen Anrufbeantworter vorschalten. Severin Weiland