Schlupfloch "Brücke der Brüderlichkeit"

■ Seit gestern mittag können BürgerInnen Sarajevos die Demarkationslinie zwischen den serbisch besetzten Teil und der eingeschlossenen Reststadt überqueren / Ein erster Schritt zur Normalisierung?

Split (taz) – Gestern mittag überquerten die ersten BürgerInnen Sarajevos die Demarkationslinie zwischen dem serbisch besetzten Stadtteil Grbavica und der eingeschlossenen Reststadt. Auf der „Brücke der Brüderlichkeit und Einheit“ war nach von der UNO beaufsichtigten langen und zähen Verhandlungen ein Grenzübergang eröffnet worden, obwohl noch nicht alle Details einer Regelung von Besuchen geklärt sind. Die Öffnung dieses Übergangs wird von vielen politischen Beobachtern als ein erster Schritt zu einer Normalisierung betrachtet. Andere hingegen fürchten, daß auch durch die Öffnung des Übergangs die Teilung der Stadt noch nicht überwunden ist.

Immerhin haben die serbischen Nationalisten, die den Stadtteil Grbavica beherrschen und noch bis vor kurzem die Abschottung ihres Stadtteils anstrebten, dem internationalen Druck nachgeben müssen. Die Öffnung der Brücke könnte sogar darauf hindeuten, daß bei den bosnisch-serbischen Nationalisten auch eine politische Kursänderung nicht mehr ausgeschlossen ist. Schon der Umstand, daß mit dem freien Verkehr auch Nachrichten übermittelt werden, lockert die absolute Kontrolle über die serbische Bevölkerung in den besetzten Gebieten. Sie gibt zudem Gerüchten Nahrung, wonach die Stellung des bisherigen politischen Führers Radovan Karadžić selbst auf der nationalistischen Seite nicht mehr unumstritten sein soll. In Sarajevo wird zudem bald ein Parlament der 280.000 Serben der Bosnischen Föderation zusammentreten, auf der eine Abrechnung mit der Politik des Nationalistenführers geplant ist.

Auf die angestrebte Öffnung der Straßen, die von Sarajevo an die Küste führen, wird die Bevölkerung der Stadt allerdings noch warten müssen. Bisher ist nur eine Erleichterung für die Hilfskonvois vorgesehen, die jetzt wieder unbehindert, von Kiseljak und Visoko kommend, die Stadt erreichen können. Wann der freie Personenverkehr für alle eingeführt wird, ist noch nicht abzusehen. Denn auch die bosnische Regierung hat kein Interesse daran, daß plötzlich ein großer Teil der nach zwei Jahren Krieg verängstigten Menschen zur gleichen Zeit die Stadt verlassen können. Erich Rathfelder

Krajina-Frage weiterhin in den Sternen

Genf/Zagreb (taz) – „Wachsende Ungeduld der internationalen Gemeinschaft“ konstatierte der Sprecher der Genfer Jugoslawienkonferenz, Mills, nach den in der Nacht zum Mittwoch ergebnislos abgebrochenen Verhandlungen zwischen kroatischer Regierung und den Krajina-Serben. Sie sollen am Dienstag nächster Woche fortgesetzt werden.

In über zwölf Stunden dauernden Beratungen in der russischen Botschaft in Zagreb konnten sich der nationale Sicherheitsberater des kroatischen Präsident Tudjman, Sarinić, und der „Außenminister“ der selbstausgerufenen serbischen Krajina-Republik, Jarcević, nicht einmal auf einen Waffenstillstand und die Entflechtung ihrer Truppen einigen – und dies trotz der Anwesenheit des russischen Jugoslawienbeauftragten Tschurkin, des US-Botschafters in Zagreb, Peter Galbraith, sowie des seit zwei Jahren im Rahmen der Genfer Jugoslawienkonferenz mit der Vermittlung in der Krajina- Frage befaßten deutschen Diplomaten Ahrens bei den Verhandlungen.

In einem Satelliten-Interview des US-Beauftragten für Ex-Jugoslawien, Redman, mit Journalisten in Genf am Dienstag nachmittag wurde deutlich, daß Washington und Moskau keinerlei neue Vorschläge haben, die Bewegung in die Krajina-Frage bringen könnten. Man beschränke sich darauf, zwischen beiden Seiten zu vermitteln, erklärte Redman. Zugleich bestätigte der US-Beauftragte, daß die US-Regierung in Washington dem kroatischen Präsidenten Tudjman Garantien gegeben hat für die Wiederherstellung der vollen Souveränität der Zagreber Regierung über Kroatien in seinen international anerkannten Grenzen. Erst aufgrund dieser Garantien war Tudjman bereit, die am letzten Freitag in Washington durch ein Abkommen besiegelte muslimisch-kroatische Föderation in Bosnien-Herzegowina zu unterstützen.

Redman widersprach der Einschätzung nicht, daß eine Umsetzung dieses Föderationsvertrages völlig abhängig ist von einer Lösung der Krajina-Frage. Die Haltung beider Seiten hat sich in den letzten Tagen jedoch eher noch verhärtet. „Krajina-Außenminister“ Jarcević machte eine politische Vereinbarung von dem vorherigen Abzug aller kroatischen Regierungstruppen aus der Krajina abhängig. Und Präsident Tudjman schränkte die bislang immer in Aussicht gestellte weitgehende Autonomie für die gesamte Krajina-Region innerhalb der Grenzen Kroatiens auf zwei mehrheitlich von Serben bewohnte Orte ein. Andreas Zumach