Diese dämlichen Opernhelden

■ „Der feurige Engel“ kommt ins Theater: ein Beispiel für die edle Torheit der Männer

Die Beziehung zwischen Mann und Frau in der Oper ist ein Trauerspiel: Sie hysterisch, er der Retter. „Ich bin auf seiten der Frauen“, betonte der Regisseur Peter Konwitschny deshalb, als er gestern in einem Einführungsmatinee seine Sicht der Oper „Der feurige Engel“ von Sergej Prokofjew vorstellte. In seiner Inszenierung, die am Donnerstag im Goethetheater Premiere hat, will er darum frauenfreundliche Akzente setzen – was gerade in diesem Stück nicht eben leicht ist. So muß dank Konwitschny die Heldin Renata, die von einem Geist, einem Engel mit Namen Madiel besessen ist, ihre Faszination für das Überirdische nicht mit dem Leben bezahlen, obwohl die gleichnamige Romanvorlage von Waleri Brjussow dies eigentlich vorsieht.

Renata hat aber natürlich trotzdem einiges durchzustehen. Seit ihrer Kindheit wird sie von dem „feurigen Engel“ begleitet: „Ich war acht Jahr alt, als er mir zum ersten Mal erschien, strahlend in der Sonne, in weißem Gewand, ein Engel, ein feuriger, göttlicher, durchleuchteter.“ Doch Madiel verläßt sie, als sie älter wird und sich eine Liebesbeziehung mit dem göttlichen Wesen wünscht. Die Sehnsucht nach dieser vollkommenen Beziehung läßt sie aber auch als Erwachsene nicht los.

Inmitten dieser quälenden Sehnsucht nach mehr läßt das Stück sie auf den ehemaligen Humanismusstudenten Ruprecht treffen. Er meint im Nebenzimmer seines Hotels beängstigende Geräusche einer Frau zu hören. Kein Wunder, denn Renata beschwört ihren feurigen Engel. Ruprecht, edel und gut, will – unaufgefordert – zu Hilfe eilen und tritt in Westernmanier die Tür ein. Er findet Renata in einer Ecke sitzend und hält sie für verrückt. Szenen sexueller Gewalt deuten sich an.

Allzu frauenfreundlich findet Dr. Baltasar Kübler, der auf der Einführungsveranstaltung zum Thema „Frau in der Oper“ sprach, diese Szenerie allerdings nicht. „Dies ist die Gewaltätigkeit eines Mannes, der seine Hilfe auch dann anbietet, wenn sie gar nicht nötig ist, und der sich hinterher auch noch als Retter aufspielt“, meint Kübler. Der Mann nimmt sich das Recht heraus, in das Zimmer und die Lebenswelt einer Frau einzudringen. Nach Küblers Ansicht ist Renata nicht wahnsinnig, sondern sie hat neben der materiellen Tagseite auch eine spirituelle Nachtseite mit Visionen, Flammen und Stimmen. Die rationale Gewaltätigkeit des Mannes stünde hier der ganzheitlichen Natürlichkeit der Frau gegenüber. „Natur, nicht wie sie beherrschbar ist, sondern wie sie sich offenbart.

So aber glaubt Ruprecht seine Renata zu lieben und will ihr helfen, die Suche nach dem feurigen Engel fortzusetzen – jedoch nur in der Hoffnung, daß sie die dämonischen Stimmen überwindet und die vermeintliche rationale Wissenschaft einen Sieg davonträgt. Renatas Versuch, den allzu eifrigen männlichen Rettern zu entgehen, endet schließlich in den Klauen eines Teufelsaustreibers. Wird er sie zu Tode quälen, sie vergewaltigen, sie verbrennen, sie einkerkern? Das wollte Regisseur Konwitschny noch nicht verraten: Erst bei der Premiere wird das Geheimnis um den Schlußakt gelüftet. Silke Mertins

Premiere am 14.4., 19.30 Uhr, im Theater am Goetheplatz