Hobbes würde heute den Rassismus bekämpfen

■ betr.: „Dem Trend einen Schritt voraus?“, taz vom 6.4.94

In diesem Interview wird durch „close reading“ den fatalen Wirkungen von Artikeln des Magazins Focus nachgegangen und dabei auch auf das Hobbes-Zitat in der ersten Februarausgabe verwiesen. Es ist interessant, wie wieder einmal, in getreuer Carl-Schmitt- Nachfolge, der englische Philosoph ohne Rücksicht auf seinen Kontext reklamiert wird. Focus meint, weil der Staat in der Ausländerfrage zu lasch sei, mit Hobbes die Bürger zur Selbsthilfe aufrufen zu können. Dazu ist zu sagen:

1. Hobbes schrieb unter dem Eindruck fürchterlicher Bürgerkriege, dem 30jährigen auf dem Kontinent und dem zwischen Krone und Parlament in England. Befinden wir uns in einem solchen?

2. Hobbes war überzeugt, daß dieses Morden aus Vorurteilen und Ideologien (damals religiösen) entstanden ist, m.a.W. daß man die Gleichheit der Menschen geleugnet hatte. Heute würde er den Rassismus bekämpfen.

3. Sein berühmt gewordener Spruch vom „Menschen, der dem Menschen ein Wolf ist“, impliziert immerhin ebenfalls Gleichheit: Auch die Bürgerwehren wären Wölfe!

4. Sein Pessimismus diktierte ihm den Wunsch nach einem absoluten „Souverän“ (der „Leviathan“), der Schutz garantiert. Aber was für einen „Staat“ kannte er denn? Einen immer noch feudal organisierten, das heißt ohne Polizei, Bürokratie, elektronische Kommunikationsmittel, zentrale Steuerung. Es ist lächerlich, die bürgerlichen Gefährdungen der damaligen Zeit für unsere Situation zu behaupten.

Es gehört zu den Tricks rechts- konservativer Publizistik, mit dem Namen Hobbes apokalyptische Szenarien zu beschwören, um extreme Mittel der Ausgrenzung zu rechtfertigen. Ich fürchte, wir werden in der kommenden Zeit den Namen des englischen Philosophen noch häufiger zitiert finden. Üben wir uns in „close reading!“ Edzard Obendiek, Dortmund