CSU streicht Einheitstag

■ Unkonventionelle Vorschläge

Berlin (taz) – Daß die Bayern unberechenbar sind, wissen wir spätestess seit Karl Valentin; daß von ihnen nicht alle Patrioten sind, seit gestern. Noch vor ein paar Tagen empörte sich Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) über den hessischen Ministerpräsidenten Hans Eichel (SPD). „Unverantwortlich“ sei dessen Vorschlag, den 3. Oktober zugunsten der Finanzierung der Pflegeversicherung zu streichen. Er habe sich damit als „Politiker ohne geschichtliche Erinnerung und als Mensch mit mangelhaftem patriotischen Gefühl“ entlarvt. Doch der vaterlandslose Geselle Eichel erhielt gestern Rückenwind. Ausgerechnet aus Bayern. Und von einem CSU-Politiker. „Ich meine, daß es uns nicht schlecht anstünde, an einem solchen Tag der nationalen Solidarität zugunsten der Pflegebedürftigen zu arbeiten“, erklärte gestern Sozialminister Gebhard Glück. Sein Kompensationsangbot: Der Tag der deutschen Einheit soll auf den ersten Sonntag im Oktober verlegt werden. Eine Idee, die auch der Geschäftsführer des bayerischen Arbeitgeberverbandes, Bayer, und der DGB-Vorsitzende Fritz Schösser prima finden. „Wir waren einhellig der Meinung“, daß der Bund „einen eigenen Feiertag“ opfern sollte, erklärte der Arbeitgeberchef gleich für die Gewerkschaften mit. Dieses Plädoyer wird nicht nur die Kirche freuen, sondern auch die SPD-geführten Bundesländer NRW, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg. Sie alle hatten nach Eichels Vorstoß Zustimmung signalisiert. In Berlin hat die SPD/CDU-Koalition sich bereits für die Abschaffung des Buß- und Bettages entschieden. Der 3. Oktober soll „ein Tag der Freude bleiben“, hatte der SPD-Chef Ditmar Staffelt erklärt. Auch in Brandenburg, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern flirtet man mit der Abschaffung des Buß- und Bettages. Nur am Pfingstmontag jedenfalls will auch künftig niemand arbeiten. Anita Kugler