„Sozi“ sackt Knast-Knete ein

■ Sozialbehörde rechnet Entlassungsgeld für Häftlinge auf Sozialhilfe an / Resozialisierungs-Gedanke wird ad absurdum geführt Von Kai von Appen

Hamburgs Sparpolitik nimmt skurrile Formen an: Auf Anordnung von Elisabeth Lingner, Chefin im „Amt für Soziales“ der BAGS, werden künftig den Strafgefangenen bei der Haftentlassung die Überbrückungsgelder auf die Sozialhilfe angerechnet. BAGS-Sprecherin Christina Baumeister: „Wir haben nur die Praxis in Hamburg angeglichen.“

Häftlinge können während ihres Knastaufenthaltes oft einer Arbeit nachgehen. Einen Teil ihres Mini-Lohnes dürfen sie im Knast ausgeben – für Zigaretten, Kaffee, Schreibutensilien... Ein Drittel der Entlohnung wird ihnen aber zwangsweise abgezogen und für sie auf die „hohe Kante“ gelegt. Die Knete wird dann bei der Entlassung ausgezahlt und soll den nötigen Spielraum zur Resozialisierung geben, bis der Unterhalt durch einen Job gedeckt werden kann.

Damit ist jetzt Schluß: Hat ein Haftentlassener 1000 Mark in der Tasche, braucht er gar nicht erst zur „Sozi“ zu gehen, um „Unterstützung zum Lebensunterhalt“ zu beantragen. Er bekommt kein Geld, weil die Knastknete als „Vermögen“ angerechnet wird. Lingner stützt ihre Anordnung auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom Mai 1990, nach der Überbrückungsgeld auch der Sicherung des Lebensunterhalts nach der Entlassung diene. Baumeister: „Hamburg ist von dieser Regel als einziges Bundesland abgewichen. Wir haben uns der Rechtsgrundlage widersetzt und es anders gemacht.“

Pikanter Hintergrund: Ausgerechnet Elisabeth Lingner, die noch vor kurzem Chefin des Strafvollzugsamtes in der Justizbehörde war bevor sie in die BAGS wechselte, erinnert sich plötzlich auf ihrem neuen Job an diese Netagiv-Entscheidung für die Häftlinge und bringt sie zur Anwendung. Ziel: 100.000 Mark Einsparung. Baumeister: „Es kann nicht angehen, daß Mittel zwei Mal für den gleichen Zweck gezahlt werden.“

In der Justizbehörde haben die Anordnungen der Ex-Mitarbeiterin Erstaunen ausgelöst. Sprecher Jürgen Weinert: „Es hat ja einen Sinn gemacht, eine derartige Regelung zur Resozialisierung ins Strafvollzugsgesetz aufzunehmen.“ Ziel des Entlassungsgeldes sei es gewesen, einen Strafgefangenen „sozial über Wasser“ zu halten oder daß er auch mögliche Schulden bei Gläubigern tilgen kann. Weinert: „Das Geld sollte dazu dienen, daß nicht gleich wieder ein Anlaß besteht, einen Einbruch zu machen.“

In der Anordnung steckt ohnehin Konfliktpotential; denn es ist nach Expertenauffassung fraglich, ob es überhaupt zulässig ist, jahrelang einen Teil des Häftlingslohnes zwecks späterer Auszahlung einzubehalten, wenn die Sozialbehörde diesen Anteil dann kassiert. Ein Insider: „Ein Fall für die Insassenvertretung.“