Zwei kolumbianische Yuppies stehen am Sonntag zur Auswahl

■ Präsidentenwahl zwischen Guerilla und Drogenmafia

Managua (taz) – Wenn die neue kolumbianische Verfassung seine Wiederwahl zuließe, könnte sich der bisherige Präsident Cesar Gavira am Sonntag des Triumphes sicher sein. In den knapp vier Jahren seiner Amtszeit hat er die Wirtschaft des lateinamerikanischen Landes geöffnet, den Drogenkönig Pablo Escobar zur Strecke gebracht und eine harte Linie gegenüber der Guerilla gefahren. Jedoch anstatt das populäre Staatsoberhaupt im Amt zu bestätigen, müssen die KolumbianerInnen ihre Wahl zwischen zwei Politikern treffen, die sich in Aussagen wie Aussehen nur wenig unterscheiden.

Ernesto Samper, der Kandidat der Liberalen, gilt innerhalb seiner Partei als Linker, als Sozialdemokrat. Der Wirtschaftsexperte konnte die meisten Fersehduelle gegen den glatten Kandidaten der Konservativen, Andres Pastrana, gewinnen. Nach den meisten Umfragen liegt Samper um eine Nasenlänge vorn. Zu wenig allerdings, um schon im ersten Wahlgang die geforderte absolute Mehrheit einzufahren. Denn neben den beiden Kandidaten der traditionellen Parteien bewerben sich 16 weitere Aspiranten: ein General, eine Präsidententochter, Ökologen, Moralisten, evangelische Prediger... allesamt chancenlos.

Nicht einmal Antonio Navarro Wolff, einstiger Guerillaführer der „Bewegung 19. April“ (M-19), kann ernsthaft mitmischen. Von rund 15 Prozent, die ihm Umfragen zum Jahresende bescheinigten, sackte er inzwischen auf vier Prozent ab. Die M-19 hat bei den Parlamentswahlen im März schon sämtliche Abgeordneten verloren. Da hilft es auch nicht, wenn Wolff behauptet, er kenne die Probleme der Küstengebiete am besten, schließlich habe er sie als Guerillero zu Fuß durchstreift. Everth Bustamante, einer der M-19-ParlamentarierInnen, die ihren Sitz verloren, macht für den Niedergang den Mangel an politischer Erfahrung und das Fehlen einer kohärenten Wahlkampfstrategie verantwortlich. Er hat inzwischen mit anderen M-19-Größen einen Aufruf zur Unterstützung von Ernesto Samper unterschrieben.

Kolumbien, mit seinen 34 Millionen Einwohnern eines der bevölkerungsreichsten Länder Lateinamerikas, ist zwar für politische Gewalttaten berüchtigt, kann aber auf eine seit über 35 Jahren ungebrochene demokratische Tradition verweisen. Zumindest was die Abfolge von Wahlen betrifft. Menschenrechtsorganisationen werfen der Regierung allerdings vor, zu wenig gegen Übergriffe der Militärs und Sicherheitskräfte, gegen paramilitärische Banden und gegen die von Geschäftsleuten bezahlte „soziale Säuberung“ der Städte von Straßenkindern durch bezahlte Killer zu unternehmen. Wo die Guerilla aktiv ist, herrscht de facto das Kriegsrecht. In vielen Städten regiert die Drogenmafia.

Das Land befindet sich aber dank üppiger Ölfunde und erfolgreicher Integrationspolitik im Aufschwung. Vom Freihandelsabkommen, das vor kaum zwei Wochen mit Venezuela und Mexiko ausgehandelt wurde, profitiert die kolumbianische Industrie. Es ist also nicht reine Phantasie, wenn alle Kandidaten von Arbeitsplätzen und Ausbau der Infrastruktur schwärmen.

Die beiden Spitzenreiter unterscheiden sich so wenig voneinander, daß eine Zeitschrift auf ihrem Titelbild einen „Samprana“ klonte. Beide Kandidaten sind Yuppies von Anfang vierzig und entstammen Politikerfamilien. Beide wollen sie der Guerilla mit einer Kombination aus Verhandlungen und militärischer Repression begegnen. Beide lehnen sie die jüngst vom Verfassungsgericht beschlossene Entkriminalisierung des Drogenbesitzes ab. Samper verweist auf seine Erfolge als Entwicklungsminister. Pastrana rühmt sich einer erfolgreichen Amtszeit als Bürgermeister von Bogotá. Damals gelang es ihm, durch die Privatisierung der Müllbeseitigung die Hauptstadt spürbar zu säubern. Doch inzwischen hat das wilde Wachstum der Metropole die Kapazitäten der Abfalldienste längst überholt, und in den Straßen türmen sich wieder stinkende Müllberge. Der Mist vor der eigenen Haustür erhitzt die KolumbianerInnen mehr als der Wahlkampf. Statt über Politik diskutieren sie über das Drogenproblem, die Wirtschaftsintegration und natürlich den Fußball. Erstmals seit vielen Jahren darf die kolumbianische Nationalmannschaft wieder bei einer Weltmeisterschaft mitmischen. Samper appellierte daher an die WählerInnen, schon am Sonntag so abzustimmen, daß anschließend klare Verhältnisse herrschen. Denn eine Stichwahl würde am 19. Juni stattfinden. Ausgerechnet an jenem Wochenende, an dem in den USA die Fußballweltmeisterschaft beginnt. Ralf Leonhard