Rechtsbeugung verhindert Einreise

■ Baden-württembergische Ausländerbehörden verweigern bosnischen Gastarbeitern die Verpflichtungserklärungen

Stuttgart (taz) – Baden-württembergische Ausländerbehörden machen selbst vor Rechtsbeugungen nicht Halt, um zu verhindern, daß bosnische Kriegsflüchtlinge sich bei ihren in Deutschland lebenden Familien erholen können. In zwei Fällen, die der taz bekannt sind, haben Beamte des Landkreises Ludwigsburg bei Stuttgart einer Familie die sogenannte „Verpflichtungserklärung“ nicht genehmigt. Mit der Unterschrift unter dieses Papier erklärt sich die hier lebende Familie bereit, alle Kosten zu übernehmen, die durch den Aufenthalt eines Flüchtlings entstehen. Anschließend können die Betroffenen problemlos – zunächst ohne Aufenthaltsbeschränkung – einreisen. Eine Praxis, „an der sich unsererseits bis heute nichts geändert hat“, erklärt Helmut Zorel, der Sprecher des baden-württembergischen Innenministeriums. „Die Ausländerbehörden müssen die Leute hierherkommen lassen.“

Zwei Mitarbeiter des Landratsamtes im schwäbischen Ludwigsburg sind da offenbar anderer Ansicht. Bereits vor Wochen hatte Smail Bosnić, bosnischer Moslem aus Markgröningen bei Ludwigsburg, die entsprechende Genehmigung für seinen Bruder Refik beantragt, wurde hingehalten – und dann schließlich ohne das Papier wieder fortgeschickt.

Dabei war Refik Bosnić insgesamt 18 Monate in serbischen Internierungslagern gefoltert worden, bevor er im Oktober 1993 durch einen Gefangenenaustausch zwischen Moslems und Serben freikam und ins zentralbosnische, von der bosnischen Armee gehaltene, Travnik gelangte. Nach dem Washingtoner Waffenstillstandsabkommen zwischen Moslems und Kroaten vom März wäre für ihn dann der Landweg über Kroatien nach Deutschland frei gewesen. Doch die Ludwigsburger Bürokraten wollten nicht. — Ähnlich wie ihrem Ehemann erging es auch Smails Frau Zadeta, die vor drei Wochen die entsprechende Genehmigung für ihre im slowenischen Ljubljana lebende Mutter beantragt hatte. Unfreundlich seien die Behördenangestellten dabei gewesen, „und dann haben sie auch so Sachen über Ausländer gesagt; die waren so laut, das haben alle mitgekriegt“, erinnert sich Zadeta Bosnić.

Im Ludwigsburger Landratsamt kann man sich an beide Fälle nicht erinnern. „Wir können uns das nicht erklären“, kommentiert Pressesprecher Brock. Die Sachbearbeiterin sei im Urlaub, und im übrigen „wäre das nicht der Stil unseres Haues“. Schließlich nehme man gegenüber Ausländern keine Haltung ein, die im Vergleich mit anderen Kreisen „als restriktiv beurteilt werden kann“.

Doch daß im Südwesten Verpflichtungserklärungen vorenthalten werden, ist offenbar gängige Praxis. „Das erlebe ich immer wieder“, beschreibt ein Sozialarbeiter der Caritas aus Reutlingen. „Die wollen natürlich verhindern, daß die Leute hierbleiben.“ Eine Abschiebung kommt für die bosnischen Flüchtlinge nicht in Frage – mit stiller Zustimmung des baden- württembergischen Innenministeriums. Wenn die Leute einmal hier seien, sollen sie auch bei ihren Angehörigen bleiben können, „die ja schließlich für sie aufkommen“, sagt Helmut Zorel, der Sprecher von SPD-Innenminister Frieder Birzele. „Einen Ermessensspielraum seitens der Ausländerbehörden gibt es dabei nicht.“

Im Fall von Refik Bosnić haben die Amtsschreiber in Ludwigsburg die Einreise eines nicht ganz Unbekannten verhindert. Der US-amerikanische Journalist und Pulitzerpreisträger (1993) Roy Gutman hat mit Hilfe von Bosnić im Januar 1993 erstmals dem bosnischen Serbenführer Radovan Karadžić eine seiner Lügen nachweisen können: Indem er Refik Bosnić im serbischen Internierungslager Batkovići aufgespürt hatte. Dorthin waren rund 500 Moslems aus dem Lager in Manjača verschleppt worden, nachdem die bosnischen Serben versprochen hatten, alle Manjača-Inhaftierten freizulassen. Refik Bosnić war einer der Verschleppten.

Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel hatte 1992 Manjača besucht und unter anderem auch Refik Bosnić versprochen, alles zu tun, „was ich kann, um Sie hier rauszuholen“. Frank Hofmann