Atom-Ausstieg? Nein, danke

■ HEW investiert in Atomforschung / GAL fordert Rücktritt des HEW-Vorstands / Vahrenholt: Alles dient der Sicherheit Von Marco Carini

Mit Volldampf in die falsche Richtung? Obwohl die Satzung der Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) seit 1992 den Ausstieg des Stromversorgers aus der Kernenergie vorschreibt, sobald „dies rechtlich möglich und für die Gesellschaft wirtschaftlich vertretbar ist“, investieren die HEW Millionenbeträge in die Entwicklung einer neuen Generation von Atommeilern.

„Der HEW-Vorstand verstößt damit gegen die Satzung und arbeitet dem dort festgelegten Unternehmenszweck entgegen – sein Rücktritt wäre die einzig angemessene Reaktion“, fordert der energiepolitische Sprecher der GAL-Bürgerschaftsfraktion, Alexander Porschke. Nach seinen Informationen sind die HEW an der Entwicklung zweier US-amerikanischer Reaktortypen ebenso beteiligt wie an der Erforschung des geplanten Siemens-Siedewasser-Reaktors „SWR 600“ in der Kernforschungsanlage Jülich.

Unter Federführung der HEW hätten mehrere Energieversorger der Siemens-Tochter KWU den Auftrag erteilt, einen 600-Megawatt-Reaktor mit geringerer Kernschmelz-Wahrscheinlichkeit zu entwickeln, als sie herkömmliche Siedewasserreaktoren wie Brunsbüttel und Krümmel aufweisen. Nach Angaben der HEW beträgt ihr Finanzbeitrag am „SWR-600“-Projekt insgesamt „knapp vier Millionen Mark“.

Die Entwicklung der neuen Reaktor-Generation soll in Deutschland den Bau neuer Atommeiler wieder politisch durchsetzbar machen. Da der Hamburger Umweltsenator, HEW-Aufsichtsratsvorsitzende und selbsternannte Atom-Aussteiger Fritz Vahrenholt über die Beteiligung des Stromversorgers an den Forschungsprojekten informiert war, wirft die GAL ihm vor, „Hamburgs BürgerInnen systematisch belogen“ zu haben. Er sei „mitverantwortlich für diesen Skandal“.

Der Kritisierte hingegen wirft der GAL „dummes Geschwätz und Effekthascherei“ vor. Die Beteiligung der HEW an den Forschungsprojekten diene allein dazu, die Sicherheit der Atomanlagen zu verbessern. Vahrenholt: „Wir werden uns weiterhin an allem beteiligen, was die bestehenden Kraftwerke sicherer macht“.

Alexander Porschke sieht in diesen Ausführungen nur eine „Schutzbehauptung, die definitiv falsch ist“. So werde im Rahmen des „SWR 600“-Projektes zur Zeit ein Not-Kondensator entwickelt, der ausschließlich in neuen Reaktortypen eingesetzt und in den alten HEW-Kraftwerken nicht nachgerüstet werden könne“. Auch die Mitarbeiter der Forschungsanlage Jülich hätten versichert, daß die zu erwartenden Forschungsergebnisse keinerlei Auswirkungen für die bestehenden Anlagen haben werden“.

Neben Vahrenholt verteidigte gestern auch CDU-Umweltexperte Roland Salchow „das HEW-Engagement für Hochsicherheitsreaktoren“. Seine Begründung: Da der Verzicht auf die Kernenergie weder rechtlich noch wirtschaftlich vertretbar sei, dürfe sich der Energiekonzern ruhig an der Atomforschung beteiligen. Nur in einem dürfte sich Salchow mit der GAL einig sein: „Die HEW-Satzungsänderung“, so Salchow, „war ohnehin nur ein realitätsfernes politisches Manöver der SPD“.