Die Lokmama 12X ist da

Die AEG feiert ihre nagelneue Lok-Generation aus dem Werk Hennigsdorf in Brandenburg  ■ Aus Hennigsdorf Vivianne Agena

Ein bißchen zupacken, vorsichtig einpassen, ein wenig hämmern, aber dann: Fertig ist das Familienmitglied. Als gestern ein weltweit neues Lok-Modell im AEG-Werk Hennigsdorf bei Berlin vorgestellt wurde, freuten sich alle Beteiligten über „das allererste Familienmitglied einer neuen Lok-Generation“, das nun das Licht der Öffentlichkeit erblicke.

Nur der Daimler-Benz-Vorsitzende Edzard Reuter verwechselte offenbar die Horizontale mit der Vertikalen und sprach von der „Bedeutung des Leuchtturms Hennigsdorf für die so wichtige deutsche, für die so wichtige europäische Integration“. Trotz vereinzeltem Kichern aus der Belegschaft ob der Leuchttürme, waren die meisten sichtbar stolz darauf, beigetragen zu haben zum „Symbol für die Erfolgsgeschichte der Einheit“, wie Reuter betonte. Seiner Meinung nach sei die Lok eine „gleichsam in Stahl gegossene Zukunftsorientierung“.

Die Fernsehmoderatorin Birgit Strohwange präsentierte als Lok- Hebamme in der zur TV-Show umgerüsteten AEG-Werkhalle gestern die Qualitäten der einsatzbereiten Lok der 12X-Generation.

Neu ist vor allem der „modulare Aufbau“ des gesamten Fahrzeugs. Durch das Baukastensystem der austauschbaren Module ist die Anpassung an den neuesten Stand der Technik jederzeit machbar. Alle „Familienmitglieder“ entstehen auf der Grundlage gleicher, in sich geschlossener Funktionseinheiten. Die 12X Hochleistungslokomotive birgt das Erbgut für einen einfachen Triebwagen, eine Lok für Hochgeschwindigkeitsverkehr, für die kleinere Regionalverkehrslok oder den Brummer der Reise- und Güterverkehrslok.

Eine weitere Erneuerung der 12X-Lok-Generation sei die umweltfreundliche Ausrichtung. Man habe auf die Recyclingmöglichkeit der Werkstoffe geachtet. Außerdem habe man durch eine ausgefeilte Aerodynamik den Lärm auf ein umweltverträgliches Maß reduziert. Als Kühlmittel zirkuliert im Innern der Lok schlichtes Wasser. Als Beispiel für die Umweltverträglichkeit gelten ebenfalls die biologisch abbaubaren Fette im Bereich der Radselektive.

Durch die Wahl modernster Technik – wie die Drehstromantriebstechnik – sei die 12X ein „regelrechter Geizkragen, der an jedem Kilovolt und Kiloampere spart“, fand Moderatorin Strohwange. Geplantes Lebensalter der Lok sind runde 35 Jahre, bei einer Höchstgeschwindigkeit von 220 Stundenkilometern. Brandenburgs Innenminister Alwin Ziel sieht die „modernste E-Lok des Erdballs“ schon in den „weiten Chinas, den Steppen Rußlands oder der Ukraine zu Hause“. Dabei würde die 12X in Sibirien vermutlich einfrieren. Sie ist für die Klimata Mitteleuropas ausgelegt, mit einem Einsatzbereich von minus 30 bis plus 40 Grad Celsius und einer Einsatzhöhe bis zu 1.200 Meter über dem Meeresspiegel.

Das AEG-Werk in Hennigsdorf hat eine lange Tradition. Bereits 1888 wurden dort Züge entwickelt, und 1903 donnerte der erste Schnelltriebwagen auf einer Teststrecke schon mit 210 Stundenkilometern davon. 1910 erwarb AEG das Gelände und kaufte es nach der Wende 1992 zurück. „Mit der Rückgewinnung von Hennigsdorf haben wir eine größere Marktstärke wiedergewonnen“, prophezeite Ernst Georg Stöckl, AEG- Vorsitzender. Der Umsatz von 300 bis 400 Millionen Mark Ende der 80er Jahre habe sich im Jahre 1994 auf zwei Milliarden Mark erhöht. Die AEG sei auf dem besten Wege durch „Innovationsfreudigkeit und Pioniergeist“ die Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten zu verstärken. Die chronisch roten Zahlen des Elektroriesen allerdings ließ Stöckl anläßlich der Feier lieber unerwähnt.

In nur 18 Monaten ist die Hochgeschwindigkeitslok 12X vom Entstehungsgedanken zur Lok zum Anfassen in der Werkshalle hervorgeschossen. Und weil alle so familiär daherredeten, wünschte Brandenburgs Innenminister Ziel der Lok schließlich „viele Nachkommen“.