Schillernde Intrigen – das Farbenspiel im Römer

■ Interne und externe Streitereien bei CDU und SPD im Frankfurter Rathaus / Grüne als stabiler Faktor / Oberbürgermeister bestreitet Angebot an die CDU

Frankfurt/Main (taz) – Zornrot und giftgrün hat sich das rot-grüne Vorzeigebündnis im Frankfurter Römer in den letzten Jahren immer wieder einmal verfärbt. Nach den Europawahlen, bei der die SPD nur miese 27,8 Prozent erreichte, knappeste zehn mehr als ihr Koalitionspartner, sind die Zustände im Rathaus am Main noch bunter geworden. Die Nerven der SPD liegen blank. Eine lästerliche Bemerkung der Stadtrates Daniel Cohn-Bendit (Grüne) zum Wahlergebnis trieb einige SPDler zu irrationalen Tobsuchtsanfällen. Da hatte die CDU-Opposition ihre Freude und streute indiskret und öffentlich Salz in die Wunden der Sozialdemokratie. Die 1993 an Rot-Grün gescheiterte Oberbürgermeisterkandidatin und Kreisvorsitzende Petra Roth (CDU) outete ein Geheimtreffen mit OB Andreas von Schoeler (SPD). Der habe ihr eine Magistratsbeteiligung angedient und dabei „bis zu vier“ Stadtratsposten inklusive Bürgermeisteramt versprochen. Anderntags dementierte sie zumindest die konkrete Postenzahl der Offerte, während ihr Fraktionsvorsitzender Bernhard Mihm darauf bestand, daß all dies Wirklichkeit und nicht Wahn gewesen und die Zahl Vier gefallen sei.

Der Widerspruch der beiden blieb im Raume stehen, während von Schoeler all dies empört allerweitest von sich wies und von der CDU verlangte, „Roß und Reiter zu nennen“. Roth antwortete maliziös aus dem Damensattel: „Das Roß ist der OB, der Reiter bin ich gewesen.“ Von Schoelers Bittgang sei zudem vergeblich. Sie denke gar nicht daran, zum „Notnagel“ für die SPD zu werden. Und sie erinnerte genüßlich daran, daß auch der grüne Stadtkämmerer Tom Koenigs vor geraumer Zeit bei der CDU antichambriert hatte.

Dabei ging es im Vorfeld des Konflikts gar nicht um CDU und Grüne, sondern um die innere Befindlichkeit der SPD. Und auch nicht um Pferde, sondern um „Schweine“. Als die Wahl zum neuen Umweltdezernenten anstand, war Andreas von Schoeler seine eigene Fraktion in den Rücken gefallen. Vier Stadtverordnete verweigerten dem grünen Kandidaten Lutz Sikorski die Stimme. Seither verwaltet Kämmerer Tom Koenigs das Amt als Doppeldezernent. Schoeler, sonst eher distinguiert, geriet aus der Fasson. Er reagierte sauer auf seine GenossInnen und nannte die Abweichler ganz unfein „Schweine“.

Kenner der Frankfurter Sozialdemokratie machten eine Fortsetzung des parteiinternen Machtkampfes und Postengerangels aus, das schon den Schoeler-Vorgänger Volker Hauff dazu brachte, das Handtuch zu werfen. Die streitenden Flügel, heißt es, haben sich inzwischen noch in weitere widerborstige Federn geteilt. Nicht nur betonharte Grünen-Gegner, sondern auch die Koalitionsbefürworter aus der alten Stamokap-Riege angegrauter Jungsozialisten liegen sich mittlerweile in den Haaren und tragen zum desaströs morbiden Bild der Partei bei.

Der parteiinterne Spaltpilz scheint infektiös. Insider witterten hinter der christdemokratischen Indiskretion ebenfals einen Machtkampf. Der Fortschrittsflügel der CDU mit der verbindlichen Petra Roth, dem Jung-Aufsteiger Michel Friedmann und dem einst so erfolgreichen Walter Wallmann habe „nichts mehr zu sagen“. Altgardist Bernhard Mihm habe das eklatträchtige „Hexeneinmaleins“ vom rechten Flügel her vorgerechnet und ausgeplaudert.

Die Stunde der Wahrheit für Rot-Grün schlägt spätestens im März 1995, wenn sechs Dezernatsposten neu zu besetzen sind. Wenn die bisher ungenannten vier Stadtverordneten Oberbürgermeister von Schoeler wieder ihre Gefolgschaft verweigern, braucht sich die SPD vermutlich nicht mehr um das Ergebnis der nächsten Kommunalwahlen zu sorgen, das auch Optimisten für diesen Fall nur noch mit „vernichtend“ voraussagen. Daß im Angesicht von neuerlichen 40 Millionen Mark Haushaltskürzungen an der Basis und in den Ämtern gemault wird, ist verständlich: „Es geht um Arbeitsplätze!“ Währenddessen werkeln die grünen Realos im Römer und ihr Spar- Kämmerer Tom Koenigs verbissen daran, den in der Protz-Ära der CDU angelegten Größenwahn der Main-Metropole in kreativ-bürgerverträglichen Sparwillen umzuwandeln. Das könnte ihnen rein rechnerisch tatsächlich irgendwann Schwarz-Grün bescheren. Sie trösteten den das Angebot an die CDU abstreitenden Oberbürgermeister: „Wir glauben Ihnen!“ Heide Platen