Arsen und Dioxin mit Plastikplanen abgedeckt

■ Bodensanierung in Löcknitzer Munitionsfabrik äußerst schwierig

Berlin (taz) – Auf einer Wiese inmitten der Naturlandschaft Mecklenburg-Vorpommerns stapfen Männer im Vollschutz-Anzug und Atemmaske bei sommerlichen Temperaturen gequält durch die Gegend. Unter der Wiese lagern Dioxine und Arsenverbindungen in hohen Konzentrationen. Anfang Juni wurde das Ausmaß der Altlasten der „Heeresmunitionsanstalt Löcknitz“ der Öffentlichkeit bekannt (taz vom 7.6.94). Ein Teil des Geländes bei Pasewalk ist mit dem extrem hohen Wert von 85.500 Nanogramm Dioxin pro Kilo Boden verseucht. Auch die an anderer Stelle gemessenen 100 Gramm Arsen pro Kilo Boden schienen so unglaublich, daß die Proben doppelt überprüft wurden.

Die Bevölkerung der Gegend interessiert das Problem wenig: „Die meisten sagen, so gefährlich kann das gar nicht sein. Außerdem sollte man das nicht so hochspielen, dann scheuen sich die Leute, hier zu investieren“, sagt ein Bürger, der anonym bleiben möchte. Kolportiert wird die Geschichte eines Investors, der sich für das ehemalige Kinderferienlager am nahen Kutzow-See interessiert habe, um dort ein Schulungszentrum einzurichten. Seine Hausbank habe ihn informiert, daß sie aufgrund der Umweltbelastungen der Gegend den Kredit zurückziehe.

Erste Untersuchungen führten dazu, daß das kontaminierte Gelände im Frühjahr eingezäunt und eine 150 Quadratmeter große Gartenteichfolie über die am stärksten belastete Stelle gelegt wurde. Neue Analysen sollen jetzt die Ausdehnung der Verseuchung abstecken. Eine Untersuchung der Frischmilch aus der nahe gelegenen Milchviehanlage Blankensee hat einen Dioxingehalt ergeben, der laut Manfred Krautter von Greenpeace im „unteren Bereich“ liegt. „Doch schon ein Pikogramm, also ein tausendstel Gramm, pro Kilogramm Körpergewicht wird vom Bundesgesundheitsamt als Grenzwert eingestuft.“

Unter der Abdeckplane liegen daumennagelgroße weiße Klümpchen von Arsen. Ohne Atemschutz könne man den beißenden Geruch nach Chlor nicht aushalten, sagt Reinhard Lobitz von der Sanierungsfirma G.E.O.S. An dieser Stelle wurde das Kampfgas Lost, das in der Heeresmunitionsanstalt in Zisternen gelagert und abgefüllt wurde, verkippt. Vermutlich sei die Wehrmacht 1945 in zeitliche Bredouille gekommen, und wollte das Zeug schnell los werden.

Die Sanierung des verseuchten Geländes gestaltet sich äußerst schwierig. Zur Zeit besteht laut Lobitz die Gefahr, daß die Gifte ins Grundwasser gelangen. Kontrollen hätten allerdings noch keine Belastung ergeben. Die beste Lösung sei gleichzeitig die nahezu „unmachbarste“: Das Abtragen von rund 100.000 Kubikmetenr Erdreich. Dieses könne in einen der 102 Bunker der ehemaligen Munitionsfabrik gelagert werden, überlegt Lobitz, „bis Wissenschaft und Technik weiter sind in der Vernichtung von diesem Zeug“. Vivianne Agena