„Wir stehen nicht zum Verkauf“

■ Herausgeber der Obdachlosenzeitung „mob“ kündigt Redakteuren zu Ende Juli und sperrt Konto / Sponsoren gesucht

Zwei Seelen wohnen in der Brust von Lars Fischer. Er ist Redakteur und Buchhalter bei mob, neben der haz, der Platte und Zeitdruck eine von vier Berliner Zeitungen für und von Obdachlosen. Fünf Monate nach dem Erscheinen der ersten Ausgabe zeichnet sich deutlich ab, daß der Herausgeber, die gemeinnützige Berliner Initiative gegen Wohnungsnot BIN e.V., das Projekt von sich aus abwickeln will. Den drei Redakteuren wurde zum 31. Juli gekündigt – für den Buchhalter Fischer angesichts der finanziellen Lage, obwohl es keinen „echten Schuldenberg“ gebe, eine logische Entscheidung. „Wenn das Projekt pleite ist, ist es pleite.“ Als Redakteur hingegen freue es ihn, daß die eigentlich Betroffenen, die Obdachlosen, das Projekt weiterführen wollen.

Wie groß die Diskrepanzen zwischen Herausgeber und Redaktion sind, zeigt die Tatsache, daß BIN e.V. dem Buchhalter Fischer die Kontovollmacht entzog, ohne ihn zu informieren. Wäre er vor wenigen Tagen auf der Bank nicht wie ein Schwerverbrecher behandelt worden – „eine ungeheure Situation“ – wüßte er immer noch nichts von der Sperrung.

Die Obdachlosen, die sich um „erweckte Hoffnungen betrogen“ fühlen, wollen aber nicht tatenlos zusehen, wie ihnen „ein wichtiges Sprachrohr“ genommen wird. Bereits Ende April hatten sie mit einer Besetzung der Redaktionsräume mehr Mitspracherecht und Einblick in die Finanzen gefordert. Der Verein wies die Vorwürfe, seine Tätigkeit sei nicht transparent, entschieden zurück und ließ die Räume polizeilich räumen. Am Donnerstag nun beklagten die Zeitungsverkäufer auf einer Pressekonferenz, daß BIN e.V. ihnen bewußt Steine in den Weg lege. Die von Anfang an bestehenden Spannungen hätten zu einem Rückgang der Verkaufszahlen von 50.000 auf etwa die Hälfte geführt, so der Vertriebsleiter Horst Heltrich.

Sonja Kemnitz, ehemalige mob- Redakteurin und jetzt Chefredakteurin bei der haz, beklagte die festgefahrenen Strukturen des Vereins. Nach ihrer Kündigung und der Besetzung hatte sie gehofft, daß der Herausgeber diese „produktive Situation zum Umdenken“ nutzen werde. Geradezu „makaber“ finde sie, daß BIN e.V. jetzt das gleiche mache, was er der haz immer vorgeworfen habe: nach der Maxime zu handeln, daß sich das Projekt rechnen müsse.

Welche Rechtsform auch immer zur Weiterführung von mob gefunden wird, die Redakteure und Zeitungsverkäufer wollen „das Baby mob“ weiter großziehen. Unter bestimmten Bedingungen, so Fischer, sei der Verein auch bereit, den Betroffenen die Räume in der Kleinen Hamburger Straße, Zeitungsrestbestände und Teile der Büroausstattung zu überlassen. Über den Daumen gepeilt, benötigten sie etwa 30.000 Mark im Monat. „Wir brauchen Sponsoren, denen zuzugestehen ist, daß sie sich profilieren wollen, die aber trotzdem ernsthaft interessiert sind“, so der Redakteur mit den zwei Seelen in der Brust. Barbara Bollwahn