Bei den Kosten hört die Menschlichkeit auf

■ Asylbewerber-Leistungsgesetz verhindert die angemessene Behandlung eines Albaners / Freiburger Sozialamt lehnte Operation ab, da angeblich „kein Notfall“

Freiburg (taz) – Der 29jährige Asylbewerber aus dem Kosovo hat starke Schmerzen im Nierenbereich. Er wird geschüttelt von Koliken. Meist kann er sich nur noch gebückt vorwärtsbewegen. Der junge Kosovo-Albaner versteht nicht, was ihm da widerfährt. Hinter ihm liegen diverse Arztgänge, eine Untersuchung beim Gesundheitsamt und ein stationärer Aufenthalt in der Urologischen Abteilung der Universitätsklinik von Freiburg.

Seit Monaten muß der 29jährige mit seinen Schmerzen leben, weil das im Februar diesen Jahres in Kraft getretene Asylbewerber- Leistungsgesetz beziehungsweise dessen fragwürdige Auslegung von Ämtern und Ärzten eine angemessene Behandlung verhindert.

Die Zweiklassenmedizin durch die Hintertür begann mit einer Überweisung durch den Hausarzt an die Urologische Abteilung der Universitätsklinik Freiburg. Die damalige Diagnose: Nierenbeckenstein. Um das Nierensteinleiden des Kosovo-Albaners zu beseitigen, so schrieb ein Arzt der Universitätsklinik an das Freiburger Sozialamt, sei die Zertrümmerung des Steins angemessen. Ob eine derartige 10.000 Mark teure Behandlung allerdings „gewünscht und finanziert“ wird, überließen die Mediziner der Uniklinik den über das Asylbewerber-Leistungsgesetz wachenden Beamten im Freiburger Sozialamt.

Die Ärzte der Uniklinik wußten natürlich um den Paragraphen 4 des Asylbewerber-Leistungsgesetzes, wußten von dem darin geregelten ausschließlichen Anspruch auf „... Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände ...“. Und sie wußten, so sagt es zumindest der Verwaltungschef der Uniklinik, Thorsten von Podewils, um die „Unmenschlichkeit des Gesetzes“. Doch aus Angst, den „Asylbewerber-Fall“ aus „eigener Tasche zahlen zu müssen“, so Podewils, entschied man sich dafür, das Sozialamt über die gewünschte Indikation entscheiden zu lassen.

Zwei Monate später lehnte das Sozialamt die Zertrümmerung der Nierensteine rundweg ab. Begründung: Der Arzt des eingeschalteten Gesundheitsamtes hätte zwar die Steinzertrümmerung als adäquate Therapieform bestätigt. Doch zum Zeitpunkt der Untersuchung des Kosovo-Albaners habe „keine notfallmäßige Indikation“ bestanden.

Vier Monate quält sich der Asylbewerber mittlerweile. Die ambulanten Therapiekosten für Arzt und Schmerzmittel dürften sich dem finanziellen Aufwand der Ultraschall-Methode längst stark angenähert haben. Inzwischen hat ein weiterer Urologe bescheinigt, daß der Albaner aufgrund seines Nierensteinleidens in Lebensgefahr schwebt. Und ganz allmählich scheint das Sozialamt die Lage neu zu beurteilen. Doch bis zur finanziellen Entscheidung „behandeln“ die Ärzte weiter nur mit Schmerzmitteln.

Nicht zuletzt wegen der immer heftigeren Kritik von seiten der Ärzteverbände will nun auch das badenwürttembergische Innenministerium die Regelungen des Asylbewerber-Leistungsgesetzes überdenken. Nach der Sommerpause sollen neue Richtlinien verabschiedet werden. Die Verantwortung, äußerte der Pressesprecher des Innenministeriums, Helmut Zorrell, solle dann ausschließlich bei den Ärzten liegen. Harald Merz