Heim kassiert ab

■ In einem Heim für jugendliche Asylsuchende in Treptow werden die Jungen angeblich betrogen und mißhandelt

„Die Vorwürfe schlagen zum Teil wirklich dem Faß den Boden aus“, kommentierte Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) gestern die Zustände in einem Heim für jugendliche Asylbewerber in Treptow. Das Gespräch mit Mitarbeitern des Heims sowie Vertretern des Berliner Flüchtlingsrats und Pax Christi am gestrigen Vormittag habe einen Großteil der Anschuldigungen gegen die Einrichtung bekräftigt, erklärte Krüger der taz. In einem persönlichen Gespräch soll sich nun heute der Geschäftsführer des Trägers „Förderung Soziale Dienste“ (FSD), Voth, dem Senator erklären.

Die Anschuldigungen, die seit einigen Wochen von seiten des Flüchtlingsrats wie auch von Kollegen gegen die Heimleitung gerichtet werden, sind abenteuerlich: Danach werden die besonders schutzbedürftigen Jungen unter 16 Jahren, die alleine aus Krisengebieten geflohen sind und zunächst in dieser Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht werden, um sie nicht mit allen anderen Asylsuchenden zusammenzupferchen, hier betrogen, bestohlen und mißhandelt.

Nach Zeitungsberichten werde in der Treptower Einrichtung das ohnehin spärliche Taschengeld von 80 Mark im Monat üblicherweise nicht ausgezahlt; auch das Verpflegungsgeld werde den Jugendlichen abgezogen, wenn sie etwa zu spät nach Hause kämen oder etwas zerschlügen. Gegen den Heimleiter Schmidt, einen ehemaligen NVA-Offizier, sollen bei der Polizei inzwischen Strafanzeigen wegen Körperverletzung, Unterschlagung, Hehlerei und Diebstahls vorliegen. Nach Angaben von Jugendlichen und Betreuern seien außer tätlichen Angriffen des Heimleiters auch Rausschmisse üblich: Ein junger Bosnier berichtete von kalten Winternächten am Bahnhof Ostkreuz, nachdem Schmidt ihn vor die Tür gesetzt habe. Gegen eine Mitarbeiterin werde außerdem ermittelt, weil sie mit einigen Jugendlichen geschlafen haben soll.

Seit Juni wurde der Jugendsenator wiederholt auf die Mißstände aufmerksam gemacht, bis es gestern zu dem Gespräch kam. Taschengeldabzüge seien mit Sicherheit nicht als erste pädagogische Maßnahme zulässig, erklärte Krüger gegenüber der taz. „Ganz offenbar hat das Heim aber gleich abkassiert.“ Der Heimleiter habe „den Laden offenbar kommißmäßig geführt“.

Diese sowie weitere Anschuldigungen, über die bisher Schweigen bewahrt werden soll, sollen heute bei einem Gespräch mit dem Geschäftsführer der FSD auf den Tisch kommen. Bevor die Jugendverwaltung dem Träger die finanziellen Zuwendungen entziehe, solle der „ermutigt werden, die Mißstände zu beseitigen“, so Krüger. FSD-Geschäftsführer Voth will von Unregelmäßigkeiten in der Heimleitung allerdings bisher nichts wissen: Gerade die Vorwürfe der unregelmäßigen Geldausgabe seien nach einer Buchprüfung „völlig entkräftet“, sagte er zur taz. „Wir haben bisher alle Vorwürfe als nicht begründet angesehen.“ Jeannette Goddar