Gladbach, total obszön

■ Die Borussia holt Stefan Effenberg – „wir kennen ihn ja schon“ – und steigt damit ab

Schon vor dem Saisonstart steht der erste Absteiger der Fußball- Bundesliga fest: Borussia Mönchengladbach. Ohnehin chronischer Wackelkandidat, beseitigte die Fohlenelf jetzt die letzten Zweifel – mit der obszönen Nominierung von Stefan Effenberg. Stinkefinger kehrt, ausgeliehen von Florenz, für eine Parkgebühr von 1,5 Millionen Mark an den Bökelberg zurück. Manager Rolf Rüssmann: „Ich bin überglücklich.“

Da hätte er vielleicht zuerst einen Blick auf Effenbergs eindrucksvolle Schleifspur durch die deutsch-italienischen Ligen werfen sollen. Schon 1987 bis 1990 spielte der Ex-Hamburger in Gladbach, und der Verein versank im Mittelmaß. Unter höhnischen Judas-Rufen wechselte der heute 26jährige nach München – selbstverständlich nicht ohne seinen Fans den Finger zu zeigen –, und Bayern verlor seine dominierende Position als Alleinunterhalter der Liga (Uli Hoeneß' späte Erkenntnis im Stern: „Martina Effenbergs Einmischung war mitverantwortlich für den Niedergang des FC Bayern“). Zwei Jahre später zog Blondie gen Italien, und der AC Florenz stieg mit seinem fingerfertigen Mittelfeld-Regisseur in die zweite Liga ab. Auch in der Nationalelf hat „Effe“ bei der WM einen deutlichen Stiefelabdruck hinterlassen: Das zerstrittene DFB- Team strauchelte im Viertelfinale.

Jetzt also wieder Gladbach. Der große Coup? Mitnichten. Die Mitspieler wissen, was ihnen bevorsteht. Torhüter Kamps bekundete eindeutig zweideutig: „Wir kennen ihn ja schon!“ Holger Fach blieb nicht weniger ambivalent: „Wenn sich der Verein das leisten kann...“ Vielleicht sehen die Spieler das Fiasko bei den Auswärtsspielen schon kommen: Die Borussen laufen ein, und 50.000 Mittelfinger zeigen nach oben. Gelächter, Häme, Pfeifkonzerte, Buhrufe, Sprechchöre – so wird die einst sympathischste Mannschaft der Liga zum neuen Lieblingsfeind.

Effenbergs Wechsel nach Gladbach schärft noch ein anderes Bömbchen, wie selbst Bild weitsichtig erkannte: „Jetzt spielt Effe vor Bertis Haustür.“ Gladbach ist nach wie vor der Heimatverein von Bundes-Berti, der wiederum gern gesehener Gast auf dem Bökelberg. Nach der heftigen Sommerhitze ist also für die gründliche Abkühlung einer alten Gladbacher Liebe gesorgt. Ob Effenberg den Gang nach Canossa antritt? Vogts wohnt gleich um die Ecke (Bild: „Von Korschenbroich zum Bökelberg sind's nur 12 Kilometer“). Wenn er auf Knien rüberrutscht, käme er mit leichten Schürfwunden davon. Vielleicht treffen sich die beiden ja mal beim Zigarettenholen oder abends beim Italiener. Von Effenberg wissen wir nämlich, daß er zu später Stunde gerne ein Glas Rotwein trinkt und dabei in verwirrte Selbstgespräche verfällt: „Mensch Junge, hast du dich entwickelt!“ pflegt er sich in solchen Augenblicken zuzuraunen.

Der Hitzkopf macht unterdessen auf reuiges Sünderlein. Gaul durchgegangen, er bereut, es tut ihm leid, falsch verhalten – eine Orgie der Wiedergutmachung, die keiner so recht glauben mag. Wir haben noch sein Statement von Dallas in den Ohren: „Bereuen? Eigentlich nicht!“

Mag das Blatt mit den großen Buchstaben noch so sehr behaupten: „Bundesliga lacht sich schlapp über Werder-Willi“ – der große Sieger im Tauziehen um Effenberg heißt Werder Bremen. Von mehreren Küßchen der Effenberg- Gattin Martina verhext, soll Otto Rehhagel von allen guten Geistern und seinem berühmten Näschen für Neueinkäufe vorübergehend verlassen worden sein. Erst in allerletzter Minute platzte der Wechsel. Glück für Otto: Werders Meisterschaft steht jetzt nur noch einer im Wege: der FC Bayern. Manfred Kriener