Hilfe für Pflegekind-Eltern

■ Elternverein „Wir“ bereitet auf die neue Situation vor / Knapp 100 Vermittlungen im Jahr

„Sucht ihr ein Kind?“, rief ihm der kleine Junge im Rollstuhl entgegen und bot sich an, als Andreas Berenthal das Kinderheim Hermann Hildebrand besuchte. „So etwas zerreißt einem fast das Herz“, sagt Berenthal, Vorsitzender des Vereins „WIR Pflege- und Adoptivfamilien Bremen e.V.“. In Bremen gibt es 1.200 untergebrachte Kinder, davon lebt die Hälfte im Heim, 450 sind als Pflegekinder untergebracht und weitere 250 Kinder sind dem Amt bekannt, die bei Verwandten oder den Großeltern leben.

Pro Jahr werden zwischen 80 bis 100 Kinder in Pflegeverhältnisse vermittelt. Damit Pflegeeltern auf ihre Aufgabe besser vorbereitet sind, können sie einen Kurs in der Pflegeelternschule absolvieren. Dort will die Selbsthilfeorganisation „WIR“ Menschen „ermutigen und befähigen“, Pflegekinder aufzunehmen. Am Anfang hat sich die Behörde mit der Zusammenarbeit „etwas schwer getan“, räumt Peter Herchenröder vom Senator für Jugend und Soziales ein. Inzwischen begrüßen sie aber die Unterstützung, da sie eine so umfassende Beratung mit ihren zwölf MitarbeiterInnen ohnehin nie leisten konnten. An einer Kooperationsvereinbarung wird noch gestrickt.

Sowohl im Amt als auch im Kurs werden die Bewerber-Eltern an erster Stelle nach der Motivation gefragt. Welche partnerschaftlichen Knackpunkte sollen vielleicht mit einem Pflegekind umschifft werden? Wovon soll es ablenken? Kinderlosen Paaren wird meist die Illusion auf eine Adoption genommen. In Bremen wurden im lezten Jahr drei Kinder zur Adoption freigegeben. Die leiblichen Eltern möchten ihr Kind nicht für immer fortgeben. Dennoch brauchen die Pflegeeltern meist keine Angst zu haben, daß ihnen das Kind bald wieder weggenommen wird: bei fast 95 Prozent der Pflegekinder findet keine Rückgabe an die leiblichen Eltern statt, und selbst bei den restlichen fünf Prozent ist die Rückgabe nur eine offene Frage, die im Zweifel vom Vormundschaftsrichter entschieden werden muß.

Das neue Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) stärkt seit 1991 die Position der Pflegeeltern. Hatte das Amt früher eine Aufsichtspflicht, so greifen sie heute von sich aus in die Pflegschaften nicht ein. „Wir möchten eine Dauerlösung anstreben“, sagt Herchenröder. Ein Kind, das bereits zwei Jahre in einer Pflegefamilie ist, dürfe dort nicht wieder herausgerissen werden. Im Vordergrund stehe das Wohl des Kindes, das eine neue Beziehung entwickeln soll, und Sicherheit braucht.

Meist haben die Kinder bei ihren leiblichen Eltern viele negative Erfahrungen gesammelt. „Die Kinder sind keine Olympioniken“, sagt Berenthal. Der Zeitaufwand für Pflegekinder sei in der Regel größer als bei den eigenen Kindern. Daher habe er auch keine Skrupel in diesem Zusammenhang über Geld zu reden. Ein Heimplatz für ein Kind kostet in der Regel um die 6.000 Mark monatlich, und für die Pflegschaft erhält man zwischen 970 (normales Kind bis zum 6. Lebensjahr) bis höchstens 1.780 Mark (Kind zwischen 13 und 18 Jahren bei Pädagogen untergebracht). „Viel zu wenig“, sagt Berenthal, und plädiert dafür, die Summe zu verdreifachen.

Vivianne Agena