Stadtmitte
: Frauenbewegung? Eine Vermißtenanzeige

■ Vor 100 Jahren gründete sich in Berlin die organisierte Frauenbewegung

Mädels! Frauen! Emanzen! Die Post geht ab. Wir feiern 100 Jahre Frauenbewegung! Wie bitte? Ja, auch die Post hat eine Sondermarke spendiert.

Aber, aber, schallt es aus den heiligen Akademien theoriegeladen-ermattet zurück: Bitte nicht stören! Wir sind mit unseren Postproblemen überbeschäftigt. Der Postfeminismus ist „in“. Der Feminismus ist „out“. Immerhin haben wir dank der Hysterie der alten Damen das aktive und passive Wahlrecht erhalten. Und dank der Hysterie der jungen Herren bleibt uns der Paragraph 218 erhalten – was noch?

Bibliotheken voll der Pflege des Penisneides. Ja, geben wir es zu – wir waren und sind eine Bewegung des Neides. Nach der Grundausstattung mit Grundrechten wollten wir Neuen dann auch noch alles, und zwar sofort, wie es die Sängerin Gitte peinlicherweise herausposaunte. Geld und Liebe und von allem 100 Prozent! So wie die Männer eben, die kriegen das ganze Gehalt und erwarten die volle Hingabe ihrer Liebsten.

Wir Feministinnen verführten uns zu immer neuen Ufern. Der Rückschlag kam noch banaler als vermutet. Die Aktivsten von uns verloren den Anschluß. Die Klügsten von uns fanden ihr Unterkommen in den Universitäten, die Schnellschreibenden wurden Medienarbeiterinnen, die Realitätstüchtigen versuchten die Parteien zu beflügeln, und die Projektfrauen schweben mehr oder weniger auf ABM und Stütze. Doch worüber sollten die Frauenforscherinnen forschen, die Journalistinnen berichten, wenn die Aktivistinnen den PolitikerInnen keinen Druck machen? Nach der Frauenbewegung wird Ausschau gehalten im Stile einer Vermißtenanzeige: Hallooo! Bitte melden!! Selbst von den Postfeministinnen wird hin und wieder ein wenig Voodoofeminismus gewünscht. Die Empörung wird dann hoch gehandelt, und an die Aktivistinnen, an die Untoten des totgesagten Feminismus, delegiert. Die meisten aber, die sich noch zugehörig fühlen zur vermißten Frauenbewegung heute, werkeln alleine vor sich hin in der Hoffnung, der gesellschaftliche Ausschlußprozeß möge sie nicht zuvörderst treffen. Brav warten sie darauf, daß die Jüngeren das Zepter des Protestes ergreifen, am besten so leidenschaftlich schön, wie die Italienerin aus Bologna, die das Programmheft zum Kongreß „100 Jahre deutsche Frauenbewegung“ ziert, der vom 2. bis 4. September in Berlin veranstaltet wird. Doch die Jüngeren sind frustriert von unserem Frust und wollen sich nicht voreilig um noch erhoffte Chancen bringen.

Politisch wichtige Initiativen der letzten Jahre, wie die Berliner FrauenfrAKTION – mittlerweile nur noch ein politischer Stammtisch –, oder das „Internationale Frauenbündnis gegen Rassismus“ (IFAB), haben mehr politische Talente geschult als die Rhetorikschulungen der Frauenbeauftragten, doch hören tut man von ihnen ebensowenig. Am Ende des ersten Jahrhunderts der Frauenbewegung hat uns der Postfeminismus schneller erreicht, als unsere Flaschenpost angekommen ist. Come on, ladies & gentlemen! Out ist in! Die nun zum dritten Male drohende Abschaffung der „Zeitpunkte“ (taz 26.8.) will uns wieder einmal testen, ob wir noch da sind. Befreien wir den SFB also von seinen Programmverwesern! So peinlich bescheiden können wir aber nicht bleiben, es grüßt, gut gebrüllt, die Voodoofeministin Halina Bendkowski

(Berliner FrauenfrAKTION)