■ Rigide Sperrzeiten legen Magdeburg trocken
: Nachts um eins macht jeder seins

Magdeburg (taz) – Trübsinnige Thekenfreunde haben jetzt in empirischen Studien herausgefunden, warum das Land Sachsen-Anhalt und insbesondere seine Landeshauptstadt Magdeburg fast täglich für einen neuen Skandal, eine neue Negativschlagzeile gut ist. Anstatt sich an diversen Theken sinnlichen Genüssen hingeben zu können, müssen sich Politiker und andere Würdenträger aus Wirtschaft und Verwaltung in unruhigen Nächten schlaflos hin- und herwälzen und darüber nachdenken, wo ihr nächstes Fettnäpchen stehen könnte. Denn ab ein Uhr nachts ist Magdeburg geschlossen.

In kaum einer anderen Stadt und schon in gar keiner Landeshauptstadt wird die Polizeistunde so rigide gehandhabt wie in Magdedorf. Denn das Ordnungsamt, so klagen Kneiper immer wieder, übertreibt seinen Sinn für Ordnung. Die großzüpgigen Ausnahmen, die die Sperrzeitverordnung des Landes zuläßt, scheinen die städtischen Hüter nächtlicher Ordnung nicht zu kennen. Zwar verweisen die immer auf die 27 Etablissements, die ihre Türen auch nach ein Uhr offenhalten dürfen, die Zahl ist jedoch relativ, denn sie enthält neben wenigen Kneipen überwiegend Spielhallen und Diskotheken. Wer aber nächtens weder daddeln noch zappeln will, fühlt sich auf der Suche nach dem Magdeburger Nachtleben reichlich allein gelassen.

Um zu verhindern, daß die Magdeburger Nächte aus dem Ruder laufen, betätigen sich die kommunalen Ordnungshüter bisweilen auch als Marktforscher. Als sich vor einem halben Jahr eine beliebte Szenekneipe im Stadtteil Lemsdorf um die Genehmigung verlängerter Öffnungszeiten bemühte, lehnte das Orndungsamt den Antrag rigide ab. Begründung: „Kein Bedarf und kein öffentliches Interesse.“

Mit dem Verweis auf Beschwerden manchmal nur eines einzigen Einwohners hält das Ordnungsamt die Kneiper kurz. „Damit kann ein einziger mißgünstiger Nachbar ein ganzes Unternehmen in den Konkurs stürzen“, ärgert sich Uwe Claus, Chef einer anderen Szenekneipe. Claus hat zwar gerade die wegen Anwohnerklagen entzogene Sperrzeitverkürzung zurückbekommen, aber für wie lange, das steht in den Sternen.

Denn die Genehmigung wird in Magdeburg längstens für ein Jahr erteilt, üblicher sind Genehmigungen für nur drei oder sechs Monate. „Für alle Kollegen, die ihre langfristigen gastronomischen Konzepte auf verlängerte Öffnungszeiten aufbauen, ist selbst die erteilte Genehmigung ein ständiger Tanz mit dem Konkursrichter“, seufzt ein Kneiper. Denn eine einmal erteilte Genehmigung ist in Magdeburg noch lange keine Garantie dafür, daß die nach ihrem Auslaufen erneuert wird.

Daß es auch anders geht, beweist der Blick über Magdeburgs Tellerrand. In Berlin, Dresden und im gesamten Mecklenburg-Vorpommern gibt es überhaupt keine Polizeistunde. In zahlreichen großen und regionalen Messestädten ist die Sperrzeit zumindest während der Messezeiten generell aufgehoben. Beispiel dafür: Hannover oder Braunschweig. Magdeburg mit seinen zahlreichen Regionalmessen schickt dagegen Aussteller wie auswärtige Besucher ebenso wie die eigenen durstigen Bürger weiter frühzeitig in die Federn. Dabei sind andernorts die Ordnungshüter im Verbund mit den kommunalen Wirtschaftsförderern recht freigiebig mit Ausnahmeregelungen. Denn außerhalb Magdeburgs hat sich längst herumgesprochen, daß große Firmen in ihre Ansiedlungspolitik auch den Freizeitwert einer Stadt einfließen lassen. Und Freizeit haben die meisten Menschen auch nach ein Uhr nachts. Eberhard Löblich