Fragebögen für die kroatischen Gläubigen

■ Trotz strenger Sicherheitsbestimmung: Zagreb feiert den Papst

Zagreb (taz) – Wer den Papst nicht sehen konnte, durfte zumindest akustisch an seinem Besuch teilnehmen. Aus den in ganz Zagreb verteilten Lautsprechern tönte seine Stimme, die Kirchenglocken läuteten ununterbrochen. Sämtliche Zeitungen informierten seit Tagen in Sonderausgaben über das Geschehen. Die Sendungen des staatlichen Fernsehens waren reserviert für das Ereignis. Stadt und Land gaben sich der Papst-Euphorie hin, Zehntausende verfolgten am Samstag seine Ankunft, 800.000 nahmen am Sonntag an der von ihm im ehemaligen Hippodrom gelesenen Messe teil.

Der Besuch in Kroatien war bereits die 62. Auslandsreise von Johannes Paul II. – politisch eine seiner brisantesten. Der Kirchenmann bemühte sich, nicht allzu sehr von Präsident Franjo Tudjman vereinnahmt zu werden. Seit Beginn des Krieges im ehemaligen Jugoslawien hatte die serbische Propaganda stets die angeblich enge Allianz zwischen Kroatien und dem Vatikan herausgestrichen. In Zagreb war es für den Papst daher überaus schwer, diesen serbischen Vorwurf zu zerstreuen. Tudjman nutzte jede Gelegenheit, den Besuch für seine Zwecke auszuschlachten. So sorgte schon einen Tag vor der Reise seine Behauptung für Aufregung, der Besuch könne als „moralische Unterstützung“ für Kroatiens Ambitionen zur Rückeroberung seiner besetzten Gebiete verstanden werden. Eine Äußerung, die der für die katholische Kirche im Land zuständige Kardinal Kuharić entschieden zurückwies.

Doch Johannes Paul II. setzte auch selbt politische Akzente. In der mächtigen Kathedrale der Hauptstadt waren es nicht so sehr die Kunstschätze, die ihn interessierten. Statt dessen ging es ihm um ein Grab hinter dem Hochaltar. Hier liegt der umstrittene Kardinal Stepinać begraben, der die Kirche des Landes durch den Zweiten Weltkrieg führte. Der Verstorbene hatte im April 1941 den Einmarsch Nazi-Deutschlands und die Etablierung des faschistischen Ustascha-Regimes begrüßt, sich später jedoch davon distanziert. Stepinać ist mitverantwortlich für die Greueltaten, die an Tausenden von Serben und Orthodoxen begangen wurden.

Führende Priester waren an den Massakern beteiligt.

Anstatt solche Verbrechen klar zu verurteilen, betete der Papst vor dem Grab des Kardinals. Diese Geste hatte schon vor dem Besuch zahlreiche Proteste aus dem In- und Ausland hervorgerufen. Seit Freitag abend war aus diesem Grund der Platz vor der Kathedrale hermetisch abgeriegelt. Sogar die Menschen in den umliegenden Häusern mußten ihre Wohnung verlassen und bei Verwandten oder Freunden übernachten.

Auffallend streng waren die Sicherheitsvorkehrungen auch in den anderen Stadtteilen. Alle Anwohner der Papst-Route wurden mit ausführlichen Fragebögen erfaßt. Verdächtige Personen hatte man aus den Orten, die der Papst durchfuhr, vorsorglich „entfernt“. Zehntausende Polizisten aus dem ganzen Land wurden zusätzlich nach Zagreb beordert. Altgediente Beamte klagten, daß die von oben angeordneten Maßnahmen „schlimmer als unter der kommunistischen Führung von Marschall Tito“ waren.

Trotz dieser Einschränkungen herrschte in der Bevölkerung ungebrochene Euphorie. Die Kroaten waren dankbar, daß das katholische Oberhaupt ihnen mit dem Aufenthalt „die Kraft zum Durchhalten und vielleicht zum Frieden gibt“, wie viele Zagreber mit Tränen in den Augen meinten.

In seiner Predigt verurteilte der Papst den Krieg auf dem Balkan. An Kroatiens Führung appellierte er, bei ungelösten Problemen wie der „Souveränität auf dem ganzen nationalen Territorium“ immer den Weg des Friedens zu beschreiten. Für Christen seien nur gewaltlose Mittel erlaubt. Johannes Paul grüßte schließlich die „Märtyrerstadt Sarajevo“ und unterstrich seine Bitterkeit über die erzwungene Besuchsabsage. Er habe Bosniens Bevölkerung Trost und Solidarität bringen wollen. „Es lebe der Heilige Vater!“ riefen die Anwesenden nach diesen Worten. „Noch lebe ich“, scherzte der 74jährige Kirchenmann, und wieder begannen die Menschen zu applaudieren. Christian Höller