Milliarden für die Verkehrskatastrophe

■ Beckmeyer mobilisiert Bundesrat gegen EU-„Masterplan“

Geht es nach der Brüsseler EU-Kommission, soll Europa auf dem Verkehrsweg zusammenwachsen: Einen „Masterplan“ für Europas Vernetzung hat Brüssel in seinem Weißbuch vom Dezember –93 vorgeschlagen, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu sichern. 400 Milliarden Mark will die Europäische Union bis zum Jahr 2005 in die Zauberformel „Transeuropäische Netze“ investieren. Dahinter verbergen sich Projekte wie der deutsch-österreichisch-italienische Eisenbahntunnel durch die Alpen ebenso wie die Fehmarnbelt-Brücke von Deutschland nach Dänemark. Das Gerüst allerdings bildet die Verbindung der nationalen Verkehrswegepläne – und da hapert es besonders an den Ost-West-Verbindungen. Streitigkeiten gab es bislang nicht über den Inhalt des Konzeptes, sondern nur über dessen Finanzierung. Doch nun hat Bremens Häfensenator Uwe Beckmeyer ein ganz anderes Haar in der Suppe gefunden: Der „Masterplan“ berge immense Gefahren für Deutschlands Finanzhaushalt, die nationale Wirtschaft und Europas Ökobilanz.

Seine Kritik: Die bisherigen Planungen schneiden die norddeutschen Seehäfen völlig vom europäischen Verkehr ab. Stattdessen laufe der Ausbau der Infrastruktur auf Rotterdam als „Mainport“ Europas zu. Entwickle sich dieser Hafen zu dem Umschlagsplatz in Europa, bedeute dies nicht nur das Aus für die bremischen (und anderen norddeutschen) Häfen. Laut einer Studie, die das Häfenressort in Auftrag gegeben hat, würde dieses „Ein-Hafen-Szenario“ das Verkehrsaufkommen in Europa immens verstärken – bis zum Jahr 2010 um 7,5 Milliarden Tonnenkilometer, die per Lkw, Schiene und Binnenschiffahrt zusätzlich bewältigt werden müßten. Und nach dem Motto „Mehr Straßen produzieren mehr Verkehr“ müßten dafür laut Studie für den deutschen Bundesverkehrswegeplan bis zum Jahr 2010 zusätzlich über 40 Milliarden Mark (Gesamtvolumen: 540 Mrd.) aufgebracht werden. „Das kann nun wirklich keine nationale Verkehrspolitik in Deutschland sein“, so Beckmeyer.

In Bonn habe bislang niemand dieses „Bedrohungspotential“ bemerkt: Bremen wird nun am Freitag einen Antrag in den Bundesrat einbringen, der die Bundesregierung dazu auffordert, sich gegenüber Brüssel bloß zu nichts zu verpflichten. Der Bund müsse auf Planungshoheit bestehen, sich keine Fristen setzen lassen, um dem „Masterplan“ Genüge zu tun, und keine Finanzierungszusagen machen. „Ein dezentrales Seehafenszenario, wo über die verschiedenen Häfen auf kürzestem Wege das Hinterland versorgt wird, ist verkehrsmäßig das Optimale“, so Beckmeyer. Nicht nur, daß in diesem Falle die Konkurrenten Hamburg und Bremen an einem Strang ziehen: Beckmeyer, der seinen Vorstoß „bloß nicht als antieuropäisch“ verstanden wissen will, hat bereits von anderen Bundesländern Unterstützung zugesagt bekommen und rechnet mit einer „guten Mehrheit“ für Bremens Antrag.

Susanne Kaiser