Freund und Feind im Halbdunkel

■ Dominik Grafs „Die Sieger“ hat stattliche 12 Millionen gekostet

Dreikäsehoch ragt die Düsseldorfer Skyline in den Himmel und gibt der Sache gleich ihr rheinisches Maß, ein Tatort-Panorama. Auch die Protagonisten werden nicht siegreich über sich hinauswachsen. Simon, Grigull, Helmer, Kaul, Falk und Mannheimer sind SEK-Beamte, die mehr oder weniger geflissentlich ihren Job ausüben. Aus den spülwasserfarbenen Uniformen spricht die söldnerhafte, bernhardinertreue Einstellung. Während die Schergen im amerikanischen Actionkino elegant umhersausen und Helden ballettreife Pirouetten drehen, holterdiepoltert sich die Düsseldorfer Truppe durch ihre Einsätze.

Debakel trotz Mega-Präzision

Zwei Herren vom organisierten Verbrechen sollen in einem Hotel in der Innenstadt festgenommen werden. Einsatzleiter Heiden (Paul Faßnacht) koordiniert den „Zugriff vor Ort“. Es kommt, trotz größter Präzision, zum Debakel. Ein dritter Mann taucht auf, der einen von ihnen, Simon, außer Gefecht setzt und dann verschwindet. War das nicht ein ehemaliger Kollege, der da schoß? Die Behörden sagen jein, Simon weiß: ja! Dann hagelt es Staatssekretäre, kühle Damen mit Namen Melba, Exotinnen, die noch schöner heißen, vermummte Gangster und jede Menge Querschläger – und schon ist man in einer Art Großraum- Bad-Kleinen.

Geprobt wurde mit einem echten Sondereinsatzkommando, unter lautem Gebrüll traten die Schauspieler wochenlang Barackentüren ein und schrien dabei zünftig, schwitzten, wie man gern im Presseheft berichtet, in der heißen Julisonne unter diesen grünen Froschanzügen.

Status von Hoch- leistungssportlern

„Ich habe einen Film über Polizisten innerhalb einer Polizeieinheit gemacht, die dort den Status von Hochleistungssportlern haben, aber relativ wenig psychische und intellektuelle Verantwortung“, ließ Dominik Graf uns in einem Lounge-Gespräch wissen. „Sie sind isoliert vom Sinn und Zweck ihrer Aufgaben, Action ist Teil ihrer Existenz. Was dabei präzise über die Figur erzählt wird, ist die immer wiederkehrende Konfrontation mit eigener und fremder Gewalt, eben die Ausübung von Gewalttätigkeit.“

Um die alltägliche Gratwanderung zwischen Held für die Öffentlichkeit nach dem Vorbild der Jungs von der GSG 9 und dem armen Schwein innerhalb der Polizeimaschinerie geht es dem Regisseur, gewissermaßen will er den Angstschweiß hinter Bad Kleinen aufspüren. „Plötzlich merken die doch, daß der Apparat sie für dumm verkauft. Sie sollen ihre Arbeit machen, aber ansonsten gefälligst die Schnauze halten.“

Ob man will oder nicht, irgendwann geht seine Rechnung auf, kommt man den gebeutelten Handlangern näher, versteht die Angst, nach verpatztem Einsatz wieder in den normalen Streifendienst versetzt zu werden, lacht über die dreckigen Witze beim Duschen nach getaner Arbeit. Auch in den Kampfszenen nimmt Graf die Perspektive der Beamten ein. Irritierenderweise kann man sich nicht wie üblich am Gesicht des Protagonisten festhalten, denn der wird einem mit einer kurzen Schleuderbewegung der Kamera entrissen. Unversehens wird man mit ihm ins Geschehen katapultiert, die Handkamera folgt ihm atemlos, Polizeifilm à la cinema verité.

„Man guckt nicht von außen zu wie bei einem Comicstrip oder einem Actioncartoon, sondern man ist wirklich mittendrin. Auch im Halbdunkel einer nicht so ganz zu definierenden Situation, wo man Freund und Feind nicht mehr voneinander unterscheiden kann. Erst im nachhinein wird langsam klar, was ich eigentlich gesehen habe.“

Damit authentisch manövriert wird, wachten zwei Herren von der Polizei darüber, daß echte Gebeuteltheit und Beamtenfrust in die Sache kommen. Mehr als fünfzehn Jahre boxten Klaus Maas und Peter Hollweg in einem Sondereinsatzkommando, aus ihren Berichten entstand das Drehbuch. Hier muß man nun leider mit dem Engländer sagen: The plot thickens. Denn das beeindruckende Aufgebot an Hintergrundrecherche wird nämlich von der Geschichte mit Pauken und Trompeten in den Sand gesetzt. Recht mühselig ist der Plot zu durchschauen: Ein SEKler zerschmettert sein geistig behindertes Baby an der Glasscheibe der Entbindungsstation, wenig später wird seine verstümmelte Leiche aus dem Rhein gezogen, dann taucht der Tote als quicklebendiger V-Mann wieder auf, der wiederum viel später einen Politiker entführt, mit dessen Gattin sein Ex-Kamerad eine heiße Liebesaffäre hat, die wiederum Zeugin hochkarätiger Korruptionsskandale ist und bei ihrem Geliebten eine Ehekrise zum Gären bringt. Im großen Finale löst sich der Knoten in Anwesenheit aller Beteiligten (außer dem toten Baby) auf einer Seilbahngondel in den bayerischen Alpen. Ach wär't ihr doch in Düsseldorf geblihieben ... Anke Leweke

„Die Sieger“. Regie: Dominik Graf. Mit: Herbert Knaup, Hansa Czypionka, Heinz Hoenig, Werner Karle jun., Katja Flint. Deutschland 1993/94, 120 Min.