Schwestern, zur Sonne, zur Kasse!

■ Die Vorabendserie "Die Kommissarin" soll Kaufentscheiderinnen ans ARD-Werbeprogramm binden

Wenn Hannelore Elsner heute ab 18.55 Uhr im ARD-Vorabendprogramm zur Waffe greift, dann steckt dahinter ein ausgeklügeltes Marketingkonzept. Die Verantwortlichen der Mediaagenturen haben nämlich im öffentlich-rechtlichen Werberahmenprogramm – also in den Programmangeboten, die als Träger der Werbespots dienen – ein gewichtiges Manko ausgemacht: „Es gibt zuwenig Serien und Unterhaltungsangebote, die sich speziell an junge Frauen zwischen 20 und 39 Jahren richten“, beklagte Dietmar Pretzsch, Programm-Marketing-Leiter bei der ARD-Werbung, schon vor einem Jahr in der Zeitschrift Das Erste.

Das soll sich nun ändern: ARD und ZDF gehen derzeit in die frauenorientierte Vorabend-Offensive. Weil die 20-Uhr-Werbegrenze noch nicht gefallen ist, muß man die Frauen eben umwerben, wo man sie bewerben darf. Sie sind es nämlich, die über den Markterfolg von Slim Fast und Megaperls, von Pampers Ultra und Dash 3 entscheiden. Und, das weiß die Werbeindustrie längst, Frauen beeinflussen auch die Kaufentscheidungen ihrer Männer. Durch ihre prilgespülten Hände rinnt das Geld der Männermacht.

„Einerseits“, so Pretzsch, „fließen 75 Prozent der Werbegelder in Spots, die sich in erster Linie an diese Kernzielgruppe wenden, anderseits gibt es zuwenig programmliche Umfelder für die Plazierung dieser Spots.“ Mit der gezielt verkitschten deutsch-französischen Frauenplotte „Feuer und Flamme“ machte die ARD den Anfang. Der weiblichen Zielgruppe sollte ein derart fesselndes Unterhaltungsangebot unterbreitet werden, daß sie auch während des Werbeblocks nicht wegzappen würde. Daß Vorabendserien auch bei der Mainzer Konkurrenz speziell im Hinblick auf diese Zielgruppe konzipiert würden, mochte Susanne Kayser vom ZDF-Werbefernsehen zwar nicht bestätigen. Wenn „Hagedorns Tocher“ jedoch mit manchesterkapitalistischen Methoden die Hamburger Geschäftswelt der Männer aufmischt, derweil ihr Vater – die Schlaftablette Hansjörg Felmy – einen Herzinfarkt erleidet und ihr Bruder gelähmt im Rollstuhl sitzt, stimmt das schon nachdenklich.

Erst amüsieren, dann konsumieren

RTL schickt Frauen dienstags neuerdings gleich in den „doppelten Einsatz“, ab 5. November feuert Iris Berben alias „Rosa Roth“ für die ZDF-Werbung auf Verbrecher. Und wenn wir dem ARD- Werbefolder zur neuen Vorabendserie „Die Kommissarin“ mit Hannelore Elsner Glauben schenken, so haben Männer auch hier vor der Glotze nichts zu suchen. Schon 1993 ging die Serie nämlich in den obligatorischen Pretest: „Die höchste Akzeptanzstufe“, so die ARD-Marketingstrategen über das Testergebnis, „erreichen 75 Prozent der Frauen, aber nur 53 Prozent der Männer.“

Damit nicht genug. „Abweichend vom durchschnittlichen Vorabendpublikum, bei dem die Kategorie Haupt- und Mittelschule dominiert“, werden bei der Kommissarin deutlich überproportional gut verdienende Frauen vor dem Fernseher sitzen, von denen „60 Prozent (...) den Bildungsgrad Abitur und/oder Uni haben“.

Es ist nicht von der Hand zu weisen: Frau braucht künftig eine höhere Bildung, um fern zu sehen. Aber nicht, weil die ARD mit dieser Frankfurter Krimi-Konkurrenz zu „Ein Fall für Zwei“ ihren Bildungsauftrag erfüllten, sondern – so die Werbebroschüre weiter – weil „Bildung und Einkommen in engster Korrelation stehen“. Frau soll sich erst köstlich amüsieren und dann kräftig konsumieren.

Wenn die „Urfrau Hannelore Elsner“ zwischen Goethes Geburtshaus und den Türmen der Deutschen Bank Verbrecher verhört, ist ihre Stimme „melodisch und rein wie gurgelndes Quellwasser“ (Stern-TV). „Alles deutet darauf hin: hier rollt ein ,Hammer‘, ein zukünftiger Klassiker auf uns zu“, versichert uns auch die ARD: „eine Serie, mit der auch sonst nur schwer erreichbare Zielgruppen vor den Fernseher gebracht werden, weil sie in Hannelore Elsner eine Identifikationsfigur sehen: junge berufstätige Frauen mit überdurchschnittlichem Bildungs- und Einkommensgrad.“

Bei den Dreharbeiten ZUR „Kommissarin“ im vergangenen Jahr war es allerdings eine deutlich ältere Dame, die die Gelegenheit ergriff und mit feuchten Augen Frau Elsner die Hände schüttelte. Aber das hat wohl nichts zu bedeuten. Manfred Riepe