"Umsichtiger Einsatz"

■ Syrerin erlitt ein Schocksyndrom nach Polizeieinsatz / Das Verfahren gegen drei Polizisten wurde eingestellt

Es war ein Hausbesuch der äußerst unangenehmen Art. Gleich zu dritt rückten die Polizeibeamten an, um in einer Weddinger Wohnung den Paß der Syrerin Samira S. sicherzustellen. „Wenn ihr Paß nicht zufällig bei der Botschaft gewesen wäre, um unser Baby eingetragen zu lassen, wäre sie an diesem Tag abgeschoben worden“, sagt ihr Ehemann Hassan S., der an der TU studiert. Als die junge Frau nicht öffnete, traten die Beamten die Wohnungstür kurzerhand ein. Wie Hassan S. berichtet, wurde sie von der Tür zu Boden gerissen und sah als nächstes in die Mündung einer Pistole. Ein Arzt bescheinigte ihr ein psychisches Schocksyndrom, eine reaktive Depression und Prellungen. Sieben Monate nach dem Vorfall leidet sie immer noch an den Folgen und wird im Zentrum zur Behandlung von Folteropfern therapiert.

Die Aktion, die Samira S. als traumatisch erlebte, bezeichnet die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin als „einen routinierten und umsichtig ausgeführten Polizeieinsatz“. Sie teilte jetzt mit, daß das Ermittlungsverfahren gegen die drei Beamten wegen Körperverletzung im Amt eingestellt worden sei.

Der Fall ist ein Musterbeispiel dafür, wie schwierig oder nahezu unmöglich es ist, Polizeibeamten ein Fehlverhalten nachzuweisen, wenn es keine Zeugen gibt.

Nach Darstellung der drei Beamten haben sie die Wohnungstür „aufgedrückt“. Eine Überrumpelung sei deshalb notwendig, weil nach seiner Diensterfahrung Frauen sich und ihren Kindern in solchen Situationen Schäden zufügen würden, um eine Abschiebung zu verhindern, so einer der Beamten. Sein Kollege hat bis zur Feststellung, daß sich außer Samira S. und dem Baby sonst niemand in der Wohnung befand, seine Dienstwaffe gezogen. Die will er aber nicht auf Samira S. gerichtet haben.

Während die Polizisten einräumen, die Wohnung durchsucht zu haben, geht die Staatsanwaltschaft nicht darauf ein, ob ein Durchsuchungsbefehl vorlag. Nach Angabe von Hassan S. hatten sie nämlich keinen. Für die Staatsanwaltschaft sind die vorgelegten Beweise – Fotos der kaputten Tür und ein ärztliches Attest – nicht für ausreichend, um Anklage zu erheben. Sie bescheinigt den Polizisten „glaubhafte Angaben“, obwohl sie einen Widerspruch feststellt: Die Beamten wollen Samira S. stehend angetroffen haben. „Im Widerspruch zu den Angaben der Beschuldigten steht das ärztliche Attest.“ Es bestätigt „nach der Art der Verletzung“ die Aussage der jungen Frau, von der Tür zu Boden geworfen worden zu sein. Doch weil das Attest erst eine Woche nach dem Vorfall ausgestellt wurde, ist für die Staatsanwaltschaft „nicht zwingend“ belegt, daß die attestierten Verletzungen davon herrührten.

Hassan S. hat Widerspruch gegen die Einstellung des Verfahrens eingelegt. Seine Frau will demnächst freiwillig ausreisen. „Sie erträgt es nicht mehr, in Deutschland zu leben.“ Dorothee Winden