Fünf Selbstmorde in der Abschiebehaft gezählt

■ Pro Asyl bilanziert neues Asylrecht

Hamburg (dpa) – Immer häufiger entlädt sich die Wut nicht anerkannter Flüchtlinge in Verzweiflungstaten. Fünf Selbstmorde, fünf Gefängnisrevolten, Hungerstreiks in Berlin und Coesfeld, Zellenbrände und Selbstverstümmelungen: das ist die Abschiebehaftbilanz von Pro Asyl nach rund 15 Monaten neuem Asylrecht. Grund für die Eskalation im Abschiebeknast: „Haftbedingungen, die schlechter sind als für jeden normalen Strafgefangenen“.

Bei den algerischen Häftlingen scheint der Leidensdruck besonders groß zu sein. „Immer wieder bringen sie sich schwere Verletzungen bei“, berichtet das NRW- Justizministerium. Auch bei dem unblutig beendeten Aufstand in einem Kasseler Untersuchungsgefängnis im vergangenen Juli kam die Mehrzahl der Geiselnehmer aus Nordafrika. Sie warfen den deutschen Behörden vor, sie monatelang in überfüllten Gefängnissen festzuhalten. Nach dem Ausländergesetz werden abgelehnte Asylbewerber inhaftiert, wenn sie sich der Abschiebung entzogen haben. „Manchmal reicht es aber schon, wenn ein Flüchtling sagt, daß er nicht zurück in seine Heimat will“, so Pro Asyl.

Die geringe Bereitschaft der algerischen Regierung, ihre Landsleute wieder aufzunehmen, hat dazu geführt, daß einige Nordafrikaner länger als ein Jahr sitzen müssen. Probleme gibt es auch mit den Einreisebehörden von Vietnam, Somalia und dem Sudan.

Die meisten deutschen Abschiebegefängnisse sind „reaktivierte“ Knäste wie in Herne (NRW). Dort erhängte sich im Dezember 1993 ein junger Sudanese in seiner Zelle. Einige Wochen nach dem Selbstmord zündeten mehrere Häftlinge in Herne ihre Zelle an. „Die Hafthäuser wurden dichtgemacht, weil sie für den modernen Strafvollzug nicht mehr geeignet waren“, so Pro Asyl. „Jetzt sitzen dort Flüchtlinge in überfüllten Zellen.“ Im August bezeichnete ein Bremer Gericht die Abschiebehaft in einem Polizeigebäude der Hansestadt als „zum Teil menschenunwürdig“. A.-B.Clasmann