Wer eroberte den Kuprespaß?

In der Herzegowina wird darüber gestritten, ob die kroatische oder die bosnische Armee den strategisch wichtigen Paß eroberte?  ■ Aus Kupres/Duvno Erich Rathfelder

Daß die Kämpfe kaum einige Kilometer entfernt erneut aufgeflammt sind, bleibt in Duvno an diesem sonnigen Samstag nachmittag auf dem ersten Blick verborgen. Hier, in der Stadt, die als „Trutzburg“ der nördlichen Westherzegowina von der kroatischen Bevölkerung in Erinnerung an den mittelalterlichen kroatischen König Tomislav in „Tomislavgrad“ umgetauft wurde, waren schon seit Kriegsbeginn Anfang April 1992 immer viele Uniformierte zu sehen. Denn hier befindet sich die regionale Kommandozentrale der bosnisch-kroatischen Armee HVO, von hier aus wurde seit mehr als 30 Monaten der Krieg um den Kuprespaß geführt.

Das Konglomerat aus meist neugebauten Einfamilienhäusern beherbergt zusammen mit den die Stadt umgebenden Dörfern rund 30.000 Einwohner, von denen rund 87 Prozent Kroaten sind. Nur in der historischen Altstadt, dort wo noch verwinkelte Gassen von der alten Tradition der Ansiedlung zeugen, sind die Minarette der vier Moscheen ein Anzeichen dafür, daß hier auch 3.000 Muslime leben.

Stolz erklärt Jure, der als Mitglied der kroatisch-bosnischen Armee HVO erst am Tag zuvor von der Front zurückgekommen ist, daß in Tomislavgrad seit Kriegsbeginn keine ethnischen Säuberungen stattgefunden hätten. „Die meisten Muslime sind geblieben, auch einige der serbischen Familien leben unbehelligt hier, abgesehen von ein paar Belästigungen durch unsere Extremisten. Aber die Polizei hat das im Griff.“

Dagegen hätten die bosnisch- serbischen Truppen die kroatische Bevölkerung zu Beginn des Krieges aus der ebenfalls mehrheitlich von Kroaten bewohnten Nachbarstadt Kupres vertrieben. „Die wollten damals die Straße über den Paß beherrschen, weil diese Straße der beste Zugang zu Zentralbosnien ist. Zu diesem Zweck hatte die Jugoslawische Volksarmee schon 1991 Artillerie und Panzer von Mostar aus nach Kupres verlegt. Es war alles schon vorausgeplant.“ Doch die serbische Besetzung von Kupres und der Paßstraße nach Zentralbosnien soll nun für ein für allemal beendet sein. Seit Mittwoch vergangener Woche befinden sich Straße und Stadt wieder in der Hand der verbündeten Truppen der HVO und der Bosnischen Armee.

Die serbische Bevölkerung wurde evakuiert

Mate, ein ehemals in Hamburg arbeitender Westherzegowiner, der seit Kriegsbeginn als Soldat in seiner alten Heimat dient, bietet an, nach Kupres mitzufahren. Nach der Durchquerung eines kargen Hochtals zeigen sich die kroatisch- bosnischen Soldaten an einer Straßensperre von ihrer harschen Seite. Ohne speziele Erlaubnis des Oberkommandos sei eine Weiterfahrt nicht möglich.

Doch auch von der Anhöhe aus ist es möglich, die umkämpfte Paßstraße zu erkennen. Nur zu erahnen ist dagegen die Lage des Ortes Kupres. Mate, der selbst beim Angriff dabei war, deutet in Richtung auf die Stadt. „Kupres und der Paß wurden von drei Richtungen angegriffen. Vom Osten kam die bosnische Armee, die 15 Tage brauchte, um die Paßhöhe und dann die Stadt zu erreichen. Im Westen und Süden befanden sich die kroatischen Truppen. Die Serben zogen sich mitsamt des größten Teils ihrer Ausrüstung etwa acht Kilometer nach Norden zurück.“

Die serbische Zivilbevölkerung von Kupres und den umliegenden serbischen Dörfern sei, so Mate, schon in der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch von den Serben evakuiert worden. „Sie zogen in Trecks in Richtung der jetzigen serbischen Stellungen.“ Danachseien die HVO-Truppen weiter vorgerückt. An seinem Frontabschnitt sei kein Schuß gefallen, an anderen Stellen habe es Gefechte gegeben, drei HVO-Soldaten seien dabei getötet worden. „Aber eigentlich ging für uns im Ganzen alles problemlos vor sich, die serbischen Militärs wollten wohl nicht das Risiko eingehen, in einem Kessel eingeschlossen zu werden.“

Diese Erklärung reicht Fikret aus. In einem vor allem von Muslimen besuchten Restaurant am Stadtrand von Duvno weist er darauf hin, daß die bosnische Armee die Rückeroberung des Passes erzwungen habe. „Sie sind zuerst in Kupres eingerückt und haben die Stadt dann der HVO, wie abgemacht, übergeben.“ Deren Soldaten hätten dann noch Vieh und aus den verlassenen Gehöften der Dörfer getrieben. „Das kroatische Fernsehen zeigte aber die Bilder von Kupres so, als habe die HVO Kupres befreit.“

Bleiben in Tomislavgrad/Duvno die Beziehungen zwischen Muslimen und Kroaten trotz des gemeinsamen Sieges somit gespannt? Eine Kolonne mit HVO- Militärs fährt die Straße entlang zurück zum Hauptquartier. „Die waren in Kupres und haben sich mit den Offizieren der bosnischen Armee getroffen.“ Für Fikret ist dies immerhin ein gutes Zeichen. „Das serbische Interesse am Kuprespaß ist vor allem ein militärisches“, erklärt ein kroatisch-bosnischer Offizier vor dem Hauptquartier. Deshalb gebe es keinen Grund, Entwarnung zu geben. Und da jetzt die serbische Zivilbevölkerung aus der Gegend evakuiert sei, werde wohl bald die serbische Artillerie sprechen. Zwei Stunden später meldet Radio Split, daß Kupres und Tomislavgrad gerade mit Artillerie und Kurzstreckenraketen beschossen wurde. Das wird in Zukunft auf den ersten Blick zu sehen sein.