Geräuschloser Rückzug der FDP-Steuerentlastung

■ Koalitionsverhandlungen: Solidarzuschlag wird jährlich überprüft / Waigel will Pläne zum steuerfreien Existenzminimum erst Anfang 1995 präsentieren

Bonn (taz) – Nachdem die Führungsgremien von CDU, CSU und FDP am Montag die bisherigen Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen ohne Umschweife abgesegnet hatten, ging es gestern noch einmal an die härteste Nuß: die Steuerpolitik. Die Unterhändler der Parteien verständigten sich nach vierstündiger Debatte darauf, die Höhe des ab 1995 erhobenen 7,5prozentigen Solidaritätszuschlags jährlich anhand zweier Kriterien zu überrüfen: Er soll nur dann wieder gesenkt werden, wenn die im Rahmen des Solidarpakts im Frühjahr 1993 beschlossenen Transferleistungen des Bundes für den „Aufbau Ost“ zurückgehen, oder wenn die Einnahmen der Abgabe durch den wirtschaftlichen Aufschwung höher ausfallen, als im Finanzplan angenommen.

Die FDP, verstärkt auf Mittelstandskurs und obendrein durch das Herbstgutachten der sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute bestätigt, hatte dagegen auf eine rasche Senkung der Steuerlast gedrängt. Da aber auch die Liberalen nicht wußten, wo das nötige Geld sonst herkommen könnte, sahen sie rasch und ohne Aufhebens wieder von ihrem Ansinnen ab, den Solidarzuschlag zeitlich zu befristen.

Von den abenteuerlichen Steuersenkungsplänen der FDP mochte Kassenwart Theo Waigel (CSU) am wenigsten wissen, plagte ihn doch noch ein ganz anderer Brocken: die vom Verfassungsgericht befohlene Steuerfreistellung des Existenzminimums. Das Problem, das nach Bekanntwerden des vom Finanzminister in Auftrag gegebenen Expertengutachtens seit dem Wochenende für Wirbel gesorgt hatte, wurde jedoch erst einmal galant umschifft.

Nach einer ersten Prüfung, so Erwin Huber (CSU) gestern, sei die Koalition übereingekommen, „die Vorschläge nicht zu übernehmen“. Lapidare Begründung: „Nicht durchsetzbar.“ Das Existenzminimum soll dennoch ab 1996 „in einem Zug“ steuerfrei werden; die genauen Pläne des von der Koalition weiterhin mit 15 Milliarden Mark bezifferten Vorhabens will Waigel aber erst Anfang nächsten Jahres vorlegen.

Haushälter Waigel und auch die Unterhändler von CDU und FDP wissen, daß die zur Finanzierung von der Kommission vorgeschlagene Besteuerung von Lohnersatzleistungen und Renten mit der SPD ohnehin nicht zu machen ist. Und Helmut Kohl hatte schon zu Beginn der Koalitionsverhandlungen keinen Hehl daraus gemacht, daß er in Sachen Steuerfragen am liebsten möglichst gar nichts festlegen wolle – nicht zuletzt um sich Kompromißlinien mit den Sozialdemokraten im Vermittlungsausschuß nicht zu verbauen. Erwin Single