Das Leben nach dem Knast beginnt

■ Irmgard Möller, RAF-Aktivistin der ersten Stunde, soll nach 22 Jahren Haft am 1. Dezember freikommen

Berlin (taz) – Nach über 22 Jahren Haft kommt die RAF-Gefangene Irmgard Möller voraussichtlich am 1. Dezember frei. Das entschied gestern das Landgericht Lübeck nach einem zweijährigen Entlassungsverfahren. Zwar kann die Staatsanwaltschaft Heidelberg die Freilassung aus der Justizvollzugsanstalt Lübeck- Lauerhof mit einer „sofortigen Beschwerde“ theoretisch noch einmal verzögern. Damit ist jedoch nach zuverlässigen Informationen nicht zu rechnen.

Entscheidend für den Entlassungsbeschluß ist die Überzeugung der Richter, „daß von Frau Möller nicht mehr die Gefahr ausgeht, welche sich in den begangenen Taten ausgedrückt hat“. Zwar habe sie eine „beträchtliche Schuldschwere“ auf sich geladen, dafür sitze sie aber auch schon sieben Jahre und fünf Monate über die bei „Lebenslänglichen“ vorgeschriebene Mindeststrafe von 15 Jahren hinaus. Außerdem spielte bei der Entscheidung der „für jedermann erkennbar angegriffene Gesundheitszustand“ eine Rolle. Die „vordergründig nicht so eindeutige“ Distanzierung von Gewalt als Mittel der Politik sei „subjektiv auf dem biographischen Hintergrund dieser Gefangenen ehrlich“.

Irmgard Möller war 1979 wegen eines Bombenanschlags auf die Heidelberger Airbase zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Dabei starben drei GIs. Am 18.Oktober 1977 überlebte sie als einzige schwer verletzt die Stammheimer Todesnacht, in der sich die RAF-Gründer Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan-Carl Raspe das Leben nahmen.

Irmgard Möller sitzt in Lübeck gemeinsam mit Hanna Krabbe (seit 19 Jahren inhaftiert) und Christine Kuby (fast 17 Jahre). Kuby wurde am vorletzten Dienstag für eine Bandscheibenoperation in eine Klinik verlegt. Auch für sie steht die Entscheidung über die reguläre „vorzeitige Entlassung“ bevor. gero Seite 10