Zurück in die Zukunft Von Mathias Bröckers

Nun haben wir also einen Zukunftsminister. Ist eigentlich logisch: Eine Regierung, die keine Perspektive und Zukunft mehr hat, braucht einen entsprechenden Minister. So wie ja auch die Zigarettenindustrie erst in dem Moment anfing, Zukunftsminister zu küren, als ihre Zukunft durch sinkenden Tabakkonsum bedroht wurde. Hätten die Leute fröhlich weitergequalmt, kein Werbefuzzi hätte sich mit derlei Mumpitz hinterm Ofen vorgewagt, so aber wurde eine riesiges PR-Ding daraus. Wer keine Zukunft hat, braucht einen, der sie simuliert; wer nur noch planmäßig aussitzt und konzeptlos wurstelt, braucht den Minister, der so tut, als ginge es zielstrebig voran.

Das Schöne an der Zukunft ist ja: sie findet auf jeden Fall statt. Egal was wir tun, Zukunft gibt's immer. Selbst wenn ein galaktischer Meteoritenklops diesen eiernden Globus morgen früh in tausend Stücke zerhaut, kann das der Zukunft nichts anhaben. Nur daß sie dann halt ohne Menschen und erst recht ohne Minister auskommen müßte.

Die Zukunft juckt das nicht; uns, in der Gegenwart, dagegen schon. Deshalb sehen zum Beispiel die militärischen Zukunftsstrategen, denen das Ende des Kalten Kriegs all die schönen SDI-Projekte verhagelt hat, jetzt ihre Zukunft in einem weltraumstationierten Abfangsystem für Meteoriten. Wenn Mega-Kriegstechnologie mangels Mega-Feind auf der Erde keine Perspektive mehr hat, muß ihre Zukunft in den Weltraum verlegt werden. Daß ein Komet auf Kollisonskurs mit der Erde tatsächlich das „Reich des Bösen“ repräsentiert, kann schließlich niemand ernsthaft bestreiten. Die Raketen- und Bombenbranche hat also Zukunft, selbst wenn auf der Erde niemand mehr schießen will.

Ginge es im neuen deutschen Zukunftsministerium nicht nur darum, alten Wein in zukunftsschillernde Schläuche zu füllen, wäre dieses Ressort fraglos das wichtigste von allen. Als wichtigste Aufgabe obläge ihm Produktion und Design von Visionen. Die Zukunft nicht einfach stattfinden zu lassen, sondern sie lenkend und planend zu beeinflussen, ist der Grund allen menschlichen Strebens.

Dieser Wille zur Lenkung und Planung ist aber unmöglich ohne eine Vorstellung, eine Vision, wie das Ganze denn aussehen soll. Das Chaos einer Metropole wie New York funktioniert nur weiter, weil alle Beteiligten die Vision haben, daß es weiter funktioniert; das Weltwährungssystem bricht nur deshalb nicht zusammen, weil die Vison aufrechterhalten wird, daß der gigantische Schuldenberg irgendwann doch noch abbezahlt wird.

In der indianischen Gesellschaft gab es eine Art Zukunftsministerium, dessen Aufgabe darin bestand, bei jeder Entscheidung mitzubedenken, welche Auswirkungen sie auf die nächsten sieben Generationen hat. Würde Verantwortung für die Zukunft heute auch nur ansatzweise so ernst genommen, hätte ein Zukunftsminister alle Hände damit zu tun, die alten, destruktiven Visionen abzubauen und neue, zukunftsträchtige einzupflanzen in die Gehirne. Als Motto über einem solchen Innovationsministerium könnte der Satz von George Santayana stehen: „Diejenigen, die sich nicht an die Vergangenheit erinnern, sind dazu verdammt, sie zu wiederholen.“