Schwarz-Grün

Die Vielzahl schwarz-grüner Bündnisse in NRW kommt für mich nicht überraschend. Auch wenn solche Bündnisse im Einzelfalle gerechtfertigt sein sollten, dokumentiert ihre Vielzahl doch, wohin die Reise der Grünen geht: zur grünen FDP!

In den letzten Jahren hat bei den Grünen ein schleichender Umwidmungsprozeß ihrer Inhalte stattgefunden. Klassische liberale Themen wie Bürger- und Menschenrechte, Rassismus etc. sind mittlerweile fast die einzigen, mit denen sich die Grünen auseinandersetzen. Ökologische und besonders soziale Fragen treten mehr und mehr in den Hintergrund.

Dies ist um so erstaunlicher, weil die Grünen die ersten waren, die erkannt hatten, daß die soziale Frage auch die ökologische Frage ist – und umgekehrt. Diese Erkenntnis ist in den letzten Jahren zunehmend in den Hintergrund geraten und wird wahrscheinlich in Zukunft lediglich der Optik wegen noch nebenher hochgehalten werden.

Sollten die Grünen ernst machen mit der Beerbung der FDP der 70er Jahre (nicht vergessen werden sollte, daß die FDP damals als erste Partei den Umweltschutz entdeckt hatte), wird das Ergebnis „grüne Politik für Besserverdienende“ sein. Nicht nur der Programmpunkt „Benzin 5DM/l“ deutet in diese Richtung (= freie Autobahn für Mercedesfahrer), sondern auch die Forderung nach einem garantierten Grundeinkommen überschneidet sich mit FDP- Positionen. Ist dieses erst einmal eingeführt, braucht man sich um diejenigen, die aus dem Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, nicht mehr zu kümmern und kann sich auf die Bearbeitung klassisch-liberaler Themen konzentrieren. Das wäre dann das Ende des grünen Projektes.

In etwa fünf Jahren werden die Grünen diese Position auf Bundesebene sicherlich erreicht haben, in den Ländern und Kommunen wird es wohl etwas länger dauern. Die bildungsbürgerliche Klientel der Grünen wird mit dieser Positionsänderung keine großen Schwierigkeiten haben. Die ökosoziale Frage wird dann nur noch von der SPD und vielleicht von der PDS bearbeitet werden. Die Grünen hätten damit in 15 Jahren eine Wandlung durchgemacht, die die SPD in 120 Jahren noch nicht vollbracht hat. Ein wahrhaft grandioser Stellungswechsel.

Zum Abschluß: Der taz stünde es gut an, wenn sie diese Entwicklung etwas kritischer begleiten würde, anstatt sich zum Sprachrohr grüner Politik zu machen. Wilfried Schwetz, Hannover