Aufruf zum zivilen Ungehorsam

■ Auf den Beschluß der Innenminister, den Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Rest-Jugoslawien und für Kurden aufzuheben, reagieren Menschenrechtsorganisationen mit einem Aufruf zum Widerstand

Berlin (taz/AFP/AP) – Nach der Entscheidung der Innenministerkonferenz, keinen bundesweiten Abschiebestopp für Flüchtlinge und Kriegsdienstverweigerer aus Serbien und Montenegro zu verhängen, haben verschiedene Organisationen zu zivilem Ungehorsam aufgerufen. Der stellvertretende Sprecher von Pro Asyl, Volker Maria Hügel, nannte die Entscheidung eine Katastrophe. Innenminister Kanther greife damit direkt in die Schutzmöglichkeiten für Flüchtlinge ein, „frei nach dem Motto: Alle reden vom Krieg, wir fliegen Sie hin“. Hügel plädiert für eine Verstärkung des Kirchenasyls, aber auch anderer, öffentlich wirksamer und symbolischer Asylformen, wie beispielsweise eines „Schul- oder Universitätenasyls“. Auch die Abschiebung türkischer Kurden ist nach Ansicht von Pro Asyl unverantwortlich, da die Verfolgung der Kurden in der Türkei „hinreichend belegt ist“.

„Kirchengemeinden, Bürgerinitiativen und alle Deutschen sollten diese Flüchtlinge und Deserteure aufnehmen und vor dem Zugriff der Polizei schützen“, erklärte der Bundesvorsitzende der Gesellschaft für bedrohte Völker, Tilman Zülch. Es sei „unfaßbar“, daß Kriegsdienstverweigerer in ein Land abgeschoben werden sollten, dessen Regierung einen Angriffskrieg gegen seinen Nachbarn Bosnien-Herzegowina führe und dort einen Völkermord verübe. Bosjilka Schedlich vom Berliner Südosteuropa-Zentrum bezeichnete die Entscheidung der Innenminister als „höchst unmoralisch“. Ihrer Meinung nach ist es wieder an der Zeit, „Menschenleben zu retten und Menschen zu verstecken, so, wie man während des Zweiten Weltkriegs die Juden versteckte“.

Auch Tilman Zülch zog eine Parallele zur Zeit des Nationalsozialismus: „Wer am Tage der Zerstörung von Bihać solche Entscheidungen trifft, hätte wohl auch Männer wie Willy Brandt, der desertierte, weil er an den Verbrechen des Dritten Reiches nicht teilnehmen wollte, an seine Verfolger ausgeliefert.“

Wie die Abschiebungen in Deutschland lebender Kriegsflüchtlinge vonstatten gehen soll, darüber herrscht derzeit weitgehend Unklarheit. Rest-Jugoslawien (Serbien und Montenegro) hat am Freitag schon angekündigt, daß die Rückkehr denjenigen verboten ist, die Asyl im Ausland beantragt haben und deren Papiere von den Grenzbeamten nicht als echt anerkannt werden. Das kündigte der Vertreter des Belgrader Außenministeriums, Milorad Ivanović, über die amtliche Nachrichtenagentur Tanjug an. „Diese Maßnahme soll die angekündigte Ausweisungswelle von falschen Asylanten aus einigen westeuropäischen Staaten nach Jugoslawien verhindern“, sagte Ivanović.

KurdInnen demonstrierten gegen das PKK-Verbot

Zum ersten Jahrestag des PKK- Verbots in Deutschland haben Anhänger der Kurdischen Arbeiterpartei am Samstag mittag in mehreren Großstädten Straßen blockiert. Sie demonstrierten mit ihren Aktionen auch gegen das von der Innenministerkonferenz beschlossene Ende eines Abschiebestopps für Kurden. Die mit 350 Teilnehmern größte Aktion in Stuttgart verlief friedlich. Dagegen kam es in Hamburg, Hannover, Dortmund, Kassel, Darmstadt und Freiburg zu Handgreiflichkeiten. Die Polizei nahm insgesamt rund 200 Kurden vorläufig fest. flo