3.000 Menschen sitzen derzeit im Abschiebeknast

■ amnesty: Rund 20 Prozent der Abschiebehäftlinge werden zu Unrecht eingesperrt

Die Inflation richterlicher Anordnungen von Abschiebehaft hat die Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) angeprangert. Abschiebehaft werde von den zuständigen Amtsrichtern „zu schnell und ohne die gebotene Sorgfalt verhängt“, sagte Wolfgang Grenz, Leiter des Asylreferats der Deutschen ai-Sektion, gestern der taz. Angesichts der mangelhaften richterlichen Prüfung machten sich die Robenträger zuweilen zu „Erfüllungsgehilfen der Ausländerbehörden“.

Grenz schätzt, daß rund 20 Prozent der Abschiebehäftlinge zu Unrecht eingesperrt sind. Als Beispiel dafür nannte er den Fall von etwa einem Dutzend Angolaner, die in Nordrhein-Westfalen zum Teil bis zu vier Monate in Haft saßen, obwohl durch Gerichtsurteile bereits zu diesem Zeitpunkt faktisch ein Abschiebestopp für Menschen aus dem vom Bürgerkrieg geschüttelten Land bestand.

Nach ai-Schätzungen befinden sich derzeit mindestens 3.000 „ausreisepflichtige“ Ausländer zur „Sicherung der Abschiebung“ hinter Gittern. Sie können gemäß Paragraph 57 des Ausländergesetzes bis zu 18 Monate weggesperrt werden, wenn sie an ihrer Abschiebung – etwa bei der Beschaffung der Reisepapiere – nicht „mitwirken“. Asylreferent Grenz wirft den Behörden in diesem Zusammenhang vor, daß Ausländer, deren Heimatländer die Ausstellung von „Heimreisedokumenten“ verweigern, häufig monatelang in Haft gesteckt werden. Ohne eigenes Verschulden an der Situation würden beispielsweise Palästinenser aus dem Libanon, Algerier oder Vietnamesen „über unverhältnismäßig lange Zeiträume“ hinter Schloß und Riegel gehalten, so Grenz. „Das verstößt gegen den Sinn der Anordnung für Abschiebehaft.“

Unterdessen hat der Bonner Aktionskreis „Ziviler Ungehorsam für Asylrecht“ für den 10. Dezember, den Tag der Menschenrechte, zur gewaltfreien „Entzäunung“ des Abschiebeknasts in der Stadt Worms (Rheinland-Pfalz) aufgerufen. Den Aufruf mit der Forderung nach Abschaffung der „menschenverachtenden“ Abschiebehaft haben 500 Einzelpersonen sowie Vertreter kirchlicher und politischer Initiativen unterzeichnet. Frank Kempe