Hanaus Uran strahlt nicht mehr

■ Die Firma Siemens will die Produktion von AKW-Brennelementen ins Ausland verlagern

Frankfurt/Main (taz) – Adolf Hüttl fühlt sich betrogen. Vor dreißig Jahren, sagte der Chef der Siemens-Atomabteilung KWU, habe das Land Hessen darum gebettelt, die bundesdeutschen Brennelementeschmieden doch „bitteschön“ in Hanau zu errichten. Und heute blase ihnen dasselbe Land Hessen das Lebenslicht aus. Aber ein Adolf Hüttl gibt so schnell nicht auf. Er kündigte an, daß nun die gesamte Uran-Brennelementeproduktion ins Ausland verlagert werde. Durch kostentreibende Genehmigungsauflagen, die weit über das international übliche Maß hinausgegangen seien, und einen „ausstiegsorientierten Gesetzesvollzug“ habe die rot- grüne Landesregierung in Hessen der Firma Siemens das Messer an die Kehle gesetzt.

Um herauszufinden, daß sich die Brennelementeproduktion in Hanau nicht mehr rechnet, hat der Weltkonzern einen externen Wirtschaftsprüfer bestellen müssen. Der eruierte für Siemens auch gleich den Ausweg aus dem ökonomischen Desaster, denn die Uranschmieden in Hanau „produzierten“ alleine im auslaufenden Geschäftsjahr 1994 Verluste in dreistelliger Millionenhöhe: Produktionsverlagerung nun nach Frankreich und Belgien und in die Vereinigten Staaten. In Westeuropa will Siemens mit französischen Konzernen kooperieren – in Richland (USA) verfügen die Münchner über eine konzerneigene Brennelementefabrik. Meldungen, wonach Siemens auch nach Niedersachsen (Lingen) ausweichen wolle, wurden von Hüttl dementiert.

Der KWU-Chef legte allerdings Wert auf die Feststellung, daß man sich in Hanau nicht vollständig aus der Produktion von Brennelementen zurückziehen werde. An der für Ende 1996 in Aussicht gestellten Inbetriebnahme der neuen Fabrik für Mischoxyd-Brennelemente (MOX) wolle man festhalten, denn noch habe man sich in Deutschland nicht vom „Kernbrennstoffkreislauf“ (Wiederaufarbeitung und MOX-Produktion) verabschiedet.

Ein Irrtum. Die Energieversorger verhandeln mit den ausländischen Partnern seit Monaten nur noch um den Ausstieg aus den Wiederaufbereitungsverträgen. Sie würden den Deutschen etwa 20 Tonnen Plutonium pro Jahr bescheren. Hüttl möchte dises Gift auch weiterhin in Mischoxid-Brennelementen verstecken, frisches Uran kostet allerdings einen Bruchteil, das Geschäft lohnt sich nicht.

Die hessische Landesregierung wies gestern alle Vorwürfe zurück, sie sei an der Pleite von Hanau schuld. Die Verantwortung für den Verlust von rund 250 Arbeitsplätzen trage Siemens allein, sagte Umweltminister Rupert von Plottnitz (Bündnis 90/Die Grünen). Die Firmenleitung habe sich stets geweigert, über Arbeitsplätze in anderen, risikoloseren Produktionsbereichen nachzudenken. Daß es sich bei der Produktionsverlagerung um „kühles Kalkül der Unternehmensleitung“ handele, glaubt auch Wirtschaftsminister Lothar Klemm (SPD). Auch Adolf Hüttl gab gestern auf die Frage, ob Siemens denn seine Entscheidung revidieren werde, wenn im Februar CDU und FDP die Macht übernehmen sollten, eine klare Antwort: „Nein!“ Klaus-Peter Klingelschmitt

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