Profit für die Industrie und Bewag-Aktionäre

■ Bewag senkt Strompreise für Großkunden und erhöht die Dividende / Haushaltsstrom soll noch Jahre teuer bleiben

Noch zehn Tage bis Weihnachten, doch für Bewag-Aktionäre und für die Industrie war schon gestern Bescherung: Die Berliner Kraft- und Licht Aktiengesellschaft (Bewag) konnte in ihrem vergangenen Geschäftsjahr so viel Gewinn einstreichen, daß die Strompreise für Großabnehmer ab nächstem Ersten um fünf Prozent gesenkt werden. Außerdem teilten gestern die Bewag-Aktionäre auf ihrer Hauptversammlung im ICC 67 Millionen Mark untereinander auf. Sie beschlossen eine Dividende von sechs Mark pro Fünfzig- Mark-Aktie – eine Mark mehr als gewöhnlich. Den größten Reibach hatten die Wertpapierbesitzer dabei bereits im vergangenen Geschäftsjahr (von Juli 93 bis Juni 94) gemacht. Denn in dieser Zeit erhöhte sich der Wert ihrer Aktien von 153,30 Mark auf 283 Mark nahezu um das Doppelte.

Haushalte und Gewerbebetriebe dagegen gehen leer aus. Obwohl in Berlin Haushaltsstrom zwischen fünf und acht Prozent und Gewerbestrom zwölf Prozent mehr kosten als in westdeutschen Großstädten und Ballungsgebieten, gibt es für diesen Kundenkreis keinen Preisnachlaß. Günter Borch, Abteilungsleiter für energiewirtschaftliche Grundsatzfragen, begründete dies gestern mit der Konzessionsabgabe. Die Abgabe, die das Stromversorgungsunternehmen für die Benutzung öffentlichen Straßenlands an das Land Berlin zahlt, erhöht sich auf Grund eines neuen Vertrages ab kommendem Jahr von 34 auf rund 140 Millionen Mark.

Bislang entfallen für die Abgabe auf zehn Kilowattstunden, die Haushalt und Gewerbe verbrauchen, rechnerisch sechs Pfennig – ab Januar werden es zwanzig Pfennig sein. Diese Strompreiserhöhung trage aber die Bewag, sie werde nicht an die Kunden weitergegeben, meinte der Abteilungsleiter. Die jahrelang umstrittene Stromtrasse, mit der Westberlin am 7. Dezember an das Verbundnetz angeschlossen wurde, trägt ebenfalls nicht zu einer spürbaren Entlastung bei.

Die Erhöhung der Konzessionsabgabe fällt bei den Großabnehmern (Stromspannung über 6.000 Volt) weniger ins Gewicht, weil für die Lieferung von Mittel- und Hochspannung weniger Straßenland beansprucht wird. Auf zehn Kilowattstunden in der Industrie entfallen ab Januar nur 2,2 Pfennig für die Abgabe. Deshalb könne für die Großkunden der Strompreis verbilligt werden, sagte Borch. Das Preisgefälle zwischen Berlin und westdeutschen Ballungsgebieten im Mittel- und Hochspannungsbereich fällt damit von neunzehn auf zwölf Prozent.

Die Bewag erwirtschaftete ihren Jahresüberschuß von 134,4 Millionen Mark zum einen aus der seit 1. April vergangenen Jahres geltenden Preiserhöhung im Ostteil der Stadt. Daß zum anderen die sonstigen betrieblichen Einnahmen um 343 Millionen auf 919 Millionen Mark klettern konnten, führte Vorstandssprecher Dietmar Winje gestern im ICC „im wesentlichen auf die Verschmelzung mit der Ebag zurück“. Eine der größten Ausgaben war die Beteiligung an der Gasag mit 11,95 Prozent für 294 Millionen Mark.

Mehrere hundert Bewag-Mitarbeiter werden ihre Bescherung wiederum zum ersten Mal im Vorruhestand feiern. Im Geschäftsjahr wurden 1.000 Stellen abgebaut. Die verbliebenen 9.100 Stellen sollen in den nächsten vier bis fünf Jahren noch einmal um 2.000 reduziert werden. Dirk Wildt