Tiefflug als Training für out of area

Von der Bonner Hardthöhe werden neue Tiefflugkorridore mit der Landesverteidigung begründet / Doch Luftwaffen-Offiziere widersprechen dem Bundesverteidigungsministerium längst  ■ Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) – 150.000 Unterschriften gegen die ab 1. Januar geplanten fünf neuen Nachttiefflug- Korridore übergeben heute Tieffluggegner aus Nordbayern und den neuen Bundesländern beim Sitz des Bundesverteidigungsministeriums in Berlin. Am Mittwoch will das Bundesverwaltungsgericht in Berlin dann ein Grundsatzurteil über die Zulässigkeit von militärischen Tieffluggebieten verkünden.

Tiefflüge bis Mitternacht in 300 Meter Höhe

Denn nach den Beschlüssen des Bundeskabinetts sollen Tornados künftig bis 24 Uhr in 300 Meter Höhe über Oberfranken, Hessen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern den Tiefflug trainieren dürfen – zum Wohle der Landesverteidigung, wie das Verteidigungsministerium betont. „Für die Landes- und Bündnisverteidigung ist Tiefflug nicht mehr erforderlich, aber für die umstrittenen Out-of-area-Einsätze“, folgert Helge Cramer, Sprecher der Tieffluggegner in Nordbayern, jedoch aus den Äußerungen ranghoher Bundeswehr- Offiziere. Mit den ausgeweiteten Tiefflug-Trainingsprogrammen bereite sich die Bundeswehr bereits auf diesen neuen Auftrag vor.

Um die aufgebrachten Bürger in Oberfranken zu beruhigen, traten Kommandeure der Luftwaffe auf diversen Veranstaltungen auf. Während die Hardthöhe nach wie vor erklärt, daß Tiefflüge für die Landesverteidigung „auch zukünftig unersetzlich“ wären, haben Luftwaffenkommandeure dem schon vehement widersprochen. So ließ Johann Dora, Kommandeur des Jagdbomber-Geschwaders 32, im Rahmen einer Veranstaltung mit den Tieffluggegnern keinen Zweifel daran, daß „für die Verteidigung der Bundesrepublik Tiefflug heute nicht mehr erforderlich“ sei. Dora kommandiert in Lechfeld das Tornado-Geschwader, das sich nach der Anforderung deutscher Jagdbomber durch die Nato vor zwei Wochen bereitgehalten hatte. Auf die Frage nach dem Sinn neuer Tieffluggebiete verwies Dora auf allgemeine Bündnisverpflichtungen im Rahmen der Nato sowie auf neue Aufgaben der Luftwaffe bei weltweiten Kriseneinsätzen.

Zuvor hatten Oberst Axel Teichmann vom Verteidigungsbezirkskommando Bayreuth und Luftwaffenoberst Viereck, Kommandeur des in Memmingen stationierten Jagdbomber-Geschwaders 34, bereits bestätigt, daß mit dem militärischen Tiefflug über der Bundesrepublik heute für Out- of-area-Einsätze trainiert werde. In Übereinstimmung mit dem Weißbuch der Bundeswehr stellten die beiden Luftwaffenoffiziere klar, daß ein derartige Tiefflugeinsätze „erforderndes Konflikt-Szenario für die Zukunft in Europa gar nicht mehr vorstellbar“ sei – außer eben bei weltweiten Kriseneinsätzen.

Auch der SPD-Luftwaffenexperte, der ehemalige Luftwaffengeneral Manfred Opel, bezeichnet die Tiefflugübungen der Bundeswehr für die Landesverteidigung als „völlig sinnlos“. Die Behauptung der Bonner Koalition, Einsatzbereitschaft und Leistungsstand der deutschen Luftstreitkräfte könnten nur durch eine Ausbildung im Tiefflug über dem heimischen Luftraum gewährleistet werden, entbehre jeder logischen und faktischen Grundlage.

„Die Ausweisung neuer Tiefflugkorridore geschieht im Hinblick auf künftige neue Aufträge der Bundeswehr“, betont Cramer, Sprecher der Tieffluggegner. Er verweist auch auf den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber.

Der hatte die neuen Korridore quer durch Oberfranken damit gerechtfertigt, daß die Piloten schließlich für den Fall üben müßten, „daß der Belagerungsring um Sarajevo aufgebrochen werden soll, was nur durch Flugzeuge im Tiefflug geschehen“ könne.

„Kampfbomber sind kein Weltfriedensbeitrag“

Die Übergabe der 150.000 Unterschriften aus den fünf betroffenen Bundesländern ist für Cramer die „letzte Chance“, die Nachttiefflug- Korridore doch noch zu verhindern.

Die Forderung nach dem „Stop aller militärischen Tiefflugübungen“ wurde inzwischen von den Bürgerinitiativen erweitert: „Deutsche Kampfbomber sind kein angemessener Beitrag für den Weltfrieden“, heißt es heute.