Grenzenlose Freiheit unter den Wolken

■ Grundsatzurteil zu Tiefflügen: Hardthöhe muß betroffene Gemeinden nicht einmal anhören

Berlin (taz/dpa/rtr) – Militärische Tiefflüge sind grundsätzlich zulässig. Der Bundesverteidigungsminister muß betroffene Gemeinden nicht einmal anhören, bevor er Tieffluggebiete einrichtet. Dies entschied gestern das Bundesverwaltungsgericht in Berlin in einem Grundsatzurteil. Das Ministerium kann sich auch jederzeit über die bestehenden Verordnungen zur Mindestflughöhe hinwegsetzen, wenn es aus verteidigungspolitischen Erwägungen eine „zwingende Notwendigkeit“ sehe, so die Richter in der Urteilsbegründung.

Mehrere Gemeinden und zwei Bürger hatten die Klage eingereicht, um einen Stopp der militärischen Tiefflüge im westlichen Münsterland zu erreichen. Das höchste Verwaltungsgericht bestätigte nun jedoch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts von Nordrhein-Westfalen, das bereits entschieden hatte, daß Militärflüge unterhalb 300 Metern – der in der Luftverkehrsordnung vorgeschriebenen Mindesthöhe – zulässig seien.

Die Richter sagten, die Verwaltungsgerichte hätten die Zulässigkeit militärischer Tiefflüge nur in beschränktem Umfang zu prüfen. So würden sie zum Beispiel feststellen, ob die Interessen der Bevölkerung, vor allem was den Lärmschutz anbelangt, ausreichend berücksichtigt würden. Das Gericht erkenne an, daß sich das Verteidigungsministerium in den letzten Jahren bemüht habe, den Tiefflugbetrieb einzuschränken. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Jochen Both, betonte, die jährlichen Tiefflugstunden seien schon von 88.000 im Jahr 1980 auf 16.000 im vergangenen Jahr gesenkt worden. Die Mindestflughöhe für militärische Übungen wurde nach der Wende von 150 auf 300 Meter heraufgesetzt. Allerdings dürfen nach wie vor die Flugzeuge der Schnellen Eingreiftruppe der Nato im Einzelfall bis auf 75 Meter heruntergehen. Die Richter fanden denn auch, daß das tägliche Leben in den Tieffluggebieten normal weiterlaufen könne. Gesundheitliche Schäden durch Tiefflüge nachzuweisen, sei den Klägern nicht gelungen.

„Das Grundsatzurteil ist Makulatur.“ So reagierte Helge Cramer, Sprecher der nordbayerischen Tieffluggegner auf das gestrige Urteil. Er wirft den Richtern vor, nach Maßstäben des „Kalten Krieges“ entschieden zu haben. Nach dem Wegfall der West-Ost-Konfrontation seien jedoch Tiefflüge für die Landesverteidigung nicht mehr erforderlich, verweist Cramer auf entsprechende Passagen im Weißbuch der Bundeswehr.

„Das Urteil geht in keiner Weise auf die veränderte Situation ein“, resümiert Cramer. Die vor dem Verwaltungsgericht unterlegenen Bürger und Gemeinden erwägen nun den Gang vor das Bundesverfassungsgericht.

(Aktenzeichen BVerwG 11 C 18.93)