34 Monate Schläge

■ Weil eine junge Türkin mit Kind sich von ihrem prügelnden Ehemann zu früh trennte, soll sie abgeschoben werden

Berlin (taz) – Wie lange muß sich eine ausländische Frau von ihrem Mann schlagen und treten lassen, um nicht ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland zu verlieren? Antwort: im Prinzip vier Jahre, in Härtefällen drei. So viele Jahre braucht es nämlich, damit Ehepartner ein eigenständiges Bleiberecht beantragen können.

Diese Gesetzesvorschrift könnte jetzt zum Verhängnis für die 25jährige Türkin Gül Koyuncouglu sowie für ihre sechsjährige Tochter Eliv werden. Beiden droht am 17. Januar die Abschiebung aus Köln, das Verwaltungsgericht hatte kurz vor Weihnachten den Ausweisungsbescheid bestätigt. Abwenden könnte das Unglück im Moment nur der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Schnoor (SPD), eine Anhörung zu dem Fall hat der Petitionsausschuß des Landtages für Anfang Januar beschlossen.

Gül Koyuncouglus Fehler war, daß sie ihre Ehe nicht mindestens drei, sondern nur zwei Jahre und zehn Monate aushielt. Dann ließ sie sich wegen permanenter Mißhandlungen scheiden. Die Quälereien ihres Ehemanns sind gerichtsnotorisch, er wurde wegen schwerer Körperverletzung und versuchter Vergewaltigung rechtskräftig verurteilt.

Die ganze Geschichte begann, als die jünge Türkin 1987 ihrem Mann nach Deutschland folgte. Hier sperrte er sie in die Wohnung ein, schlug sie heftig während und nach ihrer Schwangerschaft. Die Brutalitäten waren so grausam, daß die Ehe ohne Probleme 1990 geschieden wurde. Anschließend baute die Frau sich eine eigene Existenz auf, nie fiel sie dem Sozialamt zur Last. Das aber sind alles Argumente, die die Kölner Ausländerbehörde nicht beeindrucken.

„Unmenschlich“ nennt deshalb Gül Koyuncouglus Rechtsanwalt Rainer Dell das Verhalten der Behörden. Zurück in die Türkei könne die junge Frau und ihr Kind ohnehin nicht, weil die eigene Familie sie wegen unbotmäßigen Verhaltens verstoßen habe. Auch die Kölner Grünen sowie die Eltern aus dem Kindergarten der sechsjährigen Eliv verstehen nicht, warum die Ausländerbehörde nicht wenigstens den Ausgang des Petitionsverfahrens abwarten wollen.

Das deutsche Ausländerrecht dürfe nicht „zum Machtinstrument in den Händen prügelnder Ehemänner werden“, forderte die Gleichstellungsministerin von Nordrhein-Westfalen, Ilse Ridder- Melchers. Ihr Land brachte vergangene Woche einen Änderungsantrag in den Bundesrat ein. Danach sollen Ehepartner bei Härtefällen ein sofortiges Bleiberecht erhalten. Wie der Kölner Stadtanzeiger berichtete, sei der Fall Kyuncouglus keine Ausnahme. Im Jahre 1994 verweigerte die Ausländerbehörde der Domstadt am Rhein 23 Frauen und 48 Männer wegen dem Eheparagraphen ein eigenständiges Aufenthaltsrecht. Anita Kugler